Helene Wessel 1898 - 1969

  • 1898

    6. Juli: Helene Wessel wird als viertes Kind eines Lokomotivführers in Dortmund geboren. Der Vater, Mitglied der Deutschen Zentrumspartei stirbt bereits 1905.

    Nach der Volksschule und dem Abschluss einer kaufmännischen Lehre besucht Wessel eine Handelsschule in Dortmund.

  • 1915-1928

    Wessel arbeitet als Parteisekretärin der Zentrumspartei in Dortmund. Sie beschäftigt sich überwiegend mit der Vorbereitung und Organisation von Wahlkämpfen, Schulungen und der Kassenführung.

  • 1919

    Eintritt in die Zentrumspartei.

  • 1923/24

    Besuch der Wohlfahrtsschule in Münster. Wessel schließt die Ausbildung mit dem staatlichen Examen als Jugend- und Wirtschaftsfürsorgerin ab. Anschließend arbeitet sie als Fürsorgerin und Jugendpflegerin in Dortmund.

  • 1924

    Wessel wird als Beisitzerin in den Parteivorstand der Zentrumspartei gewählt.

  • 1928

    Wessel wird Mitglied des Preußischen Landtags, wo sie die jüngste Abgeordnete von den insgesamt neun Frauen der Fraktion ist. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Sozialpolitik, so dass sie zur Fachfrau der Zentrumsfraktion in Sachen Fürsorge wird.

  • 1929

    Wessel schreibt sich in der Deutschen Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit in Berlin ein.

    Sie schließt ihre Ausbildung mit einer Diplomarbeit zum Thema "Lebenshaltung aus Fürsorge und Erwerbstätigkeit: Eine Untersuchung des Kostenaufwandes für Sozialversicherung, Fürsorge und Versorgung im Vergleich zum Familieneinkommen aus Erwerbstätigkeit" ab.

    Die Schrift wird 1931 in Berlin veröffentlicht.

  • 1930

    Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der Zentrumspartei.

  • 1933

    Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und der folgenden Auflösung des Preußischen Landtags zieht sich Wessel aus dem politischen Leben zurück.

    Von den Nationalsozialisten wird sie als "politisch unzuverlässig" eingestuft.

    Wessel arbeitet in der Folgezeit vor allem in katholischen Fürsorgevereinen und äußert später: "Ich habe mich sehr unsichtbar gemacht, um der Gestapo keine Angriffsfläche zu bieten".

  • 1934

    Wessel wird Büroangestellte im St. Johannes Hospital in Dortmund. Veröffentlichung der Schrift "Bewahrung - nicht Verwahrlosung". Darin greift sie den Bewahrungsgedanken und die Diskussion um ein Bewahrungsgesetz auf. Sie liefert konkrete Vorschläge, zum Beispiel zur Einrichtung einer Abteilung für Bewahrungssachen an den Vormundschaftsgerichten.

  • 1939-1945

    Wessel arbeitet als leitende Fürsorgerin in der Zentrale des Katholischen Fürsorgevereins für Mädchen, Frauen und Kinder in Dortmund.

  • 1945

    Wessel beteiligt sich an der Neugründung der Zentrumspartei.

  • 1946

    Oktober: Zulassung der Deutschen Zentrumspartei in der britischen Besatzungszone.

    Wessel begründet ihr politisches Engagement: "Man darf sich dieser Verantwortung nicht entziehen, vor allem, wenn man glaubt, damit auch als katholischer Mensch für die Aufgabe der Katholiken im politischen Leben wirken zu können".

    Innerhalb der Parteiarbeit beschäftigt sie sich vor allem mit der Bildungs- und Kulturpolitik.

    6. September: Die erste Ausgabe der Zeitung "Neuer Westfälischer Kurier", die von Wessel herausgegeben wird, erscheint. Die Zeitung ist für sie ein Organ mit dem sie öffentlichkeitswirksam für das Zentrum und gegen die von ihr als übermächtig empfundene Christlich Demokratische Union (CDU) auftreten kann. Die CDU ist für sie eine Partei in der sich "heimatlos gewordene Deutschnationale und Volksparteiler" zusammengefunden haben, weshalb sie die Zusammenarbeit ablehnt.

    Bis 1949 bleibt sie Geschäftsführerin der Zeitung.

    Wessel arbeitet weiter als Fürsorgerin, da sie nicht zur "Berufspolitikerin" werden will. Sie möchte sich so ihre unabhängige Stellung bewahren.

    Veröffentlichung der Schriften "Der Weg der deutschen Demokratie" und "Von der Weimarer Republik zum demokratischen Volksstaat".

  • 1946-1950

    Abgeordnete der Zentrumspartei im ersten berufenen, im umgebildeten (1946) und im gewählten Landtag (1947) des Landes Nordrhein-Westfalen.

  • 1947/48

    Mitglied des Zonenbeirats der britischen Besatzungszone.

  • 1948

    Das Land Nordrhein-Westfalen nominiert Wessel für den Parlamentarischen Rat, in den sie als eine von vier Frauen gewählt wird. Sie ist damit an der Ausarbeitung des Grundgesetzes beteiligt und setzt sich vor allem für die Festschreibung der Gleichberechtigung von Mann und Frau ein.

  • 1949

    Nach den Wahlen zum ersten deutschen Bundestag wird Wessel Mitglied des Bundestages.

    15. Oktober: Auf dem 6. Parteitag der Deutschen Zentrumspartei wird Wessel zur Ersten Vorsitzenden der Partei gewählt. Damit ist sie die erste Frau in der deutschen Parteiengeschichte, die an der Spitze einer Partei steht.

    Sie übernimmt schließlich auch den Fraktionsvorsitz ihrer Partei im Bundestag.

  • 1951

    Oktober: Wessel erklärt auf die Frage nach einer deutschen Wiederbewaffnung, dass die Bundesregierung keine Tatsachen schaffen dürfe, die einer deutschen Wiedervereinigung im Weg stünden.

    November: Sie ruft zusammen mit Gustav Heinemann eine "Notgemeinschaft zur Rettung des Friedens in Europa" ins Leben. Die Gemeinschaft setzt sich zum Ziel, die deutsche Wiederaufrüstung zu verhindern.

    Nach heftigen Auseinandersetzungen um ihre Kritik an einer deutschen Wiederbewaffnung, die nicht der Linie der Zentrumspartei entspricht, legt Wessel ihren Parteivorsitz nieder. Zunächst bleibt sie aber noch Mitglied des Präsidiums der Partei.

  • 1952

    12. November: Aufgrund ihrer politischen Überzeugung tritt Wessel aus der Zentrumspartei aus.

    29./30. November: Gründung der Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP) durch Gustav Heinemann und Helene Wessel. Die GVP tritt für ein wiedervereinigtes, neutrales Deutschland ein.

    Der Austritt aus der Zentrumspartei und die Neugründung einer eigenen Partei haben den Verlust des Bundestagsmandats zur Folge.

  • 1953

    Bei den Bundestagswahlen erzielt die GVP nur 1,2 Prozent der Stimmen und erreicht auch in den folgenden Jahren keine größere Breitenwirkung.

  • ab 1954

    Gewerkschaftssekretärin für Sonderaufgaben in der Abteilung Wirtschaftspolitik im Landesbezirk Nordrhein-Westfalen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

  • 1957

    18./19. Mai: Die GVP löst sich wieder auf. Wessel tritt zusammen mit anderen Vorstandsmitgliedern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) bei und empfiehlt ihren Parteimitgliedern bei der Bundestagswahl, ihre Stimmen der SPD zu geben.

  • 1957-1969

    Wessel wird Mitglied des Bundestages. Dort übernimmt sie unter anderem die Funktion der stellvertretenden Vorsitzenden des Petitionsausschusses.

    Außerdem ist sie Mitglied des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen und des Ausschusses für Kommunalpolitik und Sozialhilfe.

    Weiter beteiligt sie sich an der Ausarbeitung des Bundessozialhilfegesetzes.

    Zu den sechsten deutschen Bundestagswahlen 1969 kandidiert sie nicht mehr.

  • 1964

    Auf Einladung der Zeitschrift "Die Sowjetfrau" besucht sie mit einer Gruppe von sechs Frauen die Sowjetunion. Dort diskutiert sie mit einer Reihe von Funktionärinnen und Journalistinnen über die Stellung der Frau in der Sowjetunion und in der Bundesrepublik.

  • 1968

    Bei den Diskussionen über die Notstandsgesetze ergreift Wessel zum letzten Mal das Wort im Deutschen Bundestag. Sie stimmt gegen die Gesetze mit der Begründung, sie habe die Auswirkungen des Ermächtigungsgesetzes Hitlers erlebt.

  • 1969

    13. Oktober: Helene Wessel stirbt nach schwerer Krankheit in einem Krankenhaus in Bonn.

 

(iz) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 11.03.2016
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Zündorf, Irmgard: Biografie Helene Wessel, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/helene-wessel.html
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