Theodor Oberländer 1905 - 1998

Theodor Oberländer ist Politiker in der Bundesrepublik Deutschland und von 1953 bis 1960 Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Als Student beteiligt er sich 1923 am Hitler-Ludendorff-Putsch, wird in der Zeit des Nationalsozialismus Inhaber eines Universitätslehrstuhls und nimmt als Offizier am Zweiten Weltkrieg teil. Nach 1949 ist er aufgrund seiner Vergangenheit ein umstrittener Politiker und muss nach Vorwürfen, er habe als Offizier im Zweiten Weltkrieg Massaker zu verantworten, als Bundesminister zurücktreten. Alle rechtstaatlichen Verfahren gegen ihn werden mangels Tatverdacht schließlich eingestellt.

  • 1905

    1. Mai: Theodor Oberländer wird in Meiningen als Sohn eines Regierungsbeamten geboren.

  • 1920

    Oberländer wird Mitglied des völkischen Jugendbundes "Adler und Falken".

  • 1923

    Abitur am Humanistischen Gymnasium Bernhardinum in Meiningen.

  • 1923-1927

    Oberländer studiert Agrarwissenschaften in München, Hamburg und Berlin.

  • 1923

    9. November: Oberländer nimmt am Hitler-Ludendorff-Putsch in München teil.

  • 1923-1924

    Zeitfreiwilliger in einem Infanterieregiment der Reichswehr.

  • 1928

    Oberländer arbeitet für die deutsch-russische Saatbau AG in der Sowjetunion.

  • 1929

    Oberländer wird in Berlin zum Thema "Landwirtschaft in Litauen" zum Doktor der Agrarwissenschaften promoviert.

  • 1929-1930

    Oberländer studiert Nationalökonomie an der Universität Königsberg und wird 1930 zum Doktor der Wirtschafts- und Staatswissenschaften promoviert.

  • 1930-1931

    Studienaufenthalte in der Sowjetunion, China, Japan, Kanada und den Vereinigten Staaten, um Rationalisierungsmethoden im Ackerbau zu untersuchen.

  • 1931

    Assistenz am Institut für ostdeutsche Wirtschaft der Universität Königsberg, ab März 1933 ist Oberländer dessen kommissarischer Leiter (nun "Institut für osteuropäische Wirtschaft").

  • 1933

    Habilitation Oberländers an der Universität Königsberg; Eintritt in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP).

  • 1934-1935

    Professur für Landwirtschaftspolitik an der Technischen Hochschule Danzig.

  • 1934-1937

    Bundesführer des völkischen "Bund deutscher Osten" (BDO); zudem ist Oberländer Ostpreußischer Landesführer der "Vereinigung für das Deutschtum im Ausland" (VDA).

  • 1937

    Oberländer wird außerordentlicher Professor für osteuropäische Wirtschaft an der Universität Königsberg.

  • 1937

    Aufgrund einer Intrige von NSDAP-Gauleiter Erich Koch und Mitarbeitern der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) muss Oberländer seine Professur in Königsberg sowie seine Ämter im BDO und VDA aufgeben.

  • 1937-1940

    An der Universität Greifswald ist Oberländer Mitdirektor des Staatswissenschaftlichen Seminars.

  • 1939-1943

    Oberländer ist für den Nachrichtendienst der Reichswehr "Abwehr" tätig und Kommandeur von deutsch-ukrainischen und deutsch-kaukasischen Freiwilligenverbänden an der Ostfront.

    Seine Denkschriften über die Ostpolitik führen auf Befehl von SS-Führer Heinrich Himmler zu Oberländers Ablösung als Kommandeur und schließlich zu seiner Entlassung aus der Wehrmacht.

  • 1940-1945

    Als ordentlicher Professor ist Oberländer an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Karls-Universität in Prag und wird 1941 deren Dekan.

  • 1945

    Oberländer ist deutscher Verbindungsoffizier im Stab der russischen Truppen in der Wehrmacht.

  • 1945-1946

    Oberländer befindet sich in amerikanischer Kriegsgefangenschaft.

  • 1947

    In seinem Entnazifizierungsverfahren wird Oberländer als "entlastet" eingestuft.

    Oberländer arbeitet in der Landwirtschaft in Uelzen, später in der Rhön und bei der Firma "Samenzucht Terra" in Bayern; Eintritt in die FDP.

  • 1950

    Zusammen mit Waldemar Kraft gründet Oberländer den Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) in Bayern.

  • 1950-1953

    Oberländer ist als BHE-Abgeordneter im Bayerischen Landtag und Staatssekretär für das Flüchtlingswesen im bayerischen Innenministerium.

  • 1951-1955

    Oberländer ist bayerischer Landesvorsitzende des GB (Gesamtdeutscher Block)/BHE und von 1954 bis 1955 Bundesvorsitzender.

    1955 verlässt er die Partei.

  • 1953-1960

    Oberländer ist Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte im zweiten und dritten Kabinett unter Bundeskanzler Konrad Adenauer.

  • 1953-1961

    Mitglied des Deutschen Bundestages (bis 1955 als Abgeordneter der GB/BHE; 1955 fraktionslos, ab 1956 CDU-Abgeordneter).

  • 1956

    Oberländer tritt in die CDU ein.

  • 1958-1964

    Vorsitz des CDU-Landesverbandes Oder-Neiße.

  • 1958

    Oberländer wird mit dem Bundesverdienstkreuz mit Schulterband und Stern geehrt.

  • 1960

    20.-29. April: In einem Schauprozess verurteilt das Oberste Gericht der DDR Oberländer in Abwesenheit wegen Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft. Die SED will mit diesem Beispiel die Bundesrepublik unglaubwürdig erscheinen lassen, indem sie aufzuzeigen versucht, dass der Nationalsozialismus dort ungebrochen weiterwirke. Die DDR-nahe Zeitschrift der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes "Die Tat. Antifaschistische Wochenzeitung", wirft Oberländer im September 1959 vor, 1941 an der Ermordung von Juden und Polen in Lwiw (Lemberg) beteiligt gewesen zu sein. Auch Journalisten wie Gerd Bucerius in "Die Zeit" oder Bernt Engelmann im "Spiegel" machen sich die Vorwürfe zu Eigen. Das Urteil der DDR-Justiz wird 1993 als rechtstaatswidrig aufgehoben. Anhand von mittlerweile zugänglichen Stasi-Unterlagen ist belegt, dass die Kampagne auch mit gefälschten Dokumenten betrieben wurde.

    3. Mai: Oberländer tritt aufgrund des öffentlichen Drucks als Bundesminister zurück.

    September: Die Staatsanwaltschaft Bonn stellt ihre Ermittlungen gegen Oberländer wegen fehlenden Tatverdachts ein.

  • 1963-1965

    Erneut Mitglied des Deutschen Bundestages für die CDU.

  • 1965-1971

    Oberländer berät den Rüstungskonzern Messerschmidt-Bölkow-Blohm.

  • 1981

    Oberländer unterzeichnet mit anderen deutschen Hochschulprofessoren das Heidelberger Manifest, das einen Stopp der Einwanderung von Ausländern in die Bundesrepublik fordert.

  • 1996

    Die Staatsanwaltschaft Köln prüft die Unterlagen der DDR-Verurteilung und leitet erneut ein Verfahren gegen Oberländer ein wegen einer möglichen Beteiligung an einem Massaker in Lwiw (Lemberg) während des Zweiten Weltkrieges.

  • 1998

    4. Mai: Oberländer stirbt in Bonn. Wenige Tage später wäre das Kölner Verfahren wegen mangelnden Tatverdachts eingestellt worden.

 

(fbe/ipo/mw) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 26.02.2016
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Behr, Friedrich/Pollentzke, Isabelle/Würz, Markus: Biografie Theodor Oberländer, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/theodor-oberlaender.html
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