1959 endet die zweite Amtszeit von Bundespräsident Theodor Heuss. Eine Wiederwahl schließt das Grundgesetz aus. Als Nachfolger präsentiert sich am 8. April 1959 in einer von Rundfunk und Fernsehen übertragenen Rede überraschend Bundeskanzler Konrad Adenauer. Er beabsichtigt, als Bundespräsident nicht bloß zu repräsentieren, sondern ähnlich wie der französische Präsident gestaltend in die Politik eingreifen zu können. Wenige Wochen später zieht er seine Kandidatur jedoch zurück. Die Kritik daran, auch aus der eigenen Partei, markiert den Anfang seines politischen Endes.

Kandidatur Adenauers

Adenauer möchte als Bundespräsident verhindern, dass Ludwig Erhard sein Nachfolger als Bundeskanzler wird. Denn er hält den Bundeswirtschaftsminister in der Außenpolitik für zu unerfahren. Schon seit einigen Jahren gibt es Spannungen zwischen beiden. Die CDU/CSU-Fraktion favorisiert Erhard als Nachfolger des 83-jährigen Bundeskanzlers und hofft, mit dem populären "Vater des Wirtschaftswunders" die nächsten Wahlen zu gewinnen. Als Adenauer erkennt, dass er als Bundespräsident dem Grundgesetz nach nur wenig Einfluss auf die Tagespolitik hätte, zieht er am 5. Juni 1959 seine Kandidatur zurück.

Rückzug und Reaktion

CDU und CSU sind darüber empört, weil die Möglichkeit, den greisen Kanzler ohne Prestigeverlust ablösen zu können, nun nicht mehr gegeben ist. Die Opposition wirft Adenauer ein "ruchloses Spiel" mit dem höchsten Staatsamt vor. Die "Präsidentschaftsposse" erschüttert das Vertrauen in den Bundeskanzler und sein Ansehen sinkt. Zwar gewinnt die CDU mit Adenauer als Spitzenkandidat die Bundestagswahl 1961. Doch Adenauer ist nun "Kanzler auf Abruf": In den Koalitionsverhandlungen muss er zusichern, nach zwei Jahren sein Amt niederzulegen.

Zum Nachfolger von Bundespräsident Heuss wählt die Bundesversammlung am 1. Juli 1959 in Berlin den bisherigen Bundesernährungsminister Heinrich Lübke.

(ag, mw) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 19.02.2016
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Grau, Andreas/Würz, Markus: Präsidentschaftskrise, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-gruenderjahre/weg-nach-westen/praesidentschaftskrise.html
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