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Christel Dux: Des deutschen Mannes liebstes Kind

Dieser Beitrag wurde von Christel Dux (*1948) aus Berlin im Jahr 2000 verfasst.

Autos nur mit Anmeldung

Autos gab es in der DDR nur mit Anmeldung. Jeder Staatsbürger, der das 18. Lebensjahr vollendet hatte, durfte sich für ein Auto anmelden. Die Anmeldezeit betrug in den siebziger Jahren drei Jahre, später in den achtziger Jahren war sie schon auf fünf Jahre heraufgesetzt. In der Republik, also in der "Zone", dauerte es noch einige Jahre länger, deshalb waren auch die "Zonenbewohner" ständige Gäste auf dem Auto-Markt. Für einen Führerschein mußte man sich auch drei bis vier Jahre lang anmelden. Meine Tochter meldete sich für einen Führerschein mit sechzehn Jahren an. Mit zwanzig Jahren war sie dran, bestand auch die Prüfung sofort. Sie hatte Glück, da sie bei dem letzten DDR-"Trupp" dabei war. Dadurch war die Fahrprüfung nicht so teuer. Gleich nach ihrer Fahrprüfung kauften wir ihr einen Trabant, die gab es 1990 im Mai billig an jeder Ecke. Wir borgten ihr das Geld, was sie uns später langsam zurückzahlte.

Hatte man aber Devisen, klappte immer alles gleich sofort. Da brauchte dann niemand vier Jahre auf einen Führerschein zu warten oder fünf Jahre auf ein Auto. Für Autos gab es den Genex Laden. Der führte alle Typen Autos, von Mazda bis zum Mercedes. Die Ostblock-Autos, Lada Polski, Lada Samara, Wartburg oder auch Trabant, waren billiger. Man brauchte nur Devisen oder reiche Westverwandtschaft, die einen so ein Auto kauften. Und es gab gar nicht wenige, die so ein schönes Auto fuhren. Auch ein Kollege meines Mannes hatte so eine reiche Tante, die ihm ein Auto kaufte.

Nur ein Trabant war bezahlbar

Otto Normalverbraucher konnte sich nur einen Trabant kaufen, sei es, ein anderes Auto wäre zu teuer oder man bekam es nicht. Auf einen Lada waren wir 21 Jahre angemeldet, bekommen hätten wir ihn wohl nie. Werners Anmeldung war für einen Trabant, meine Anmeldung war für den Lada. Mein Mann hatte nun die Gelegenheit, einen alten Trabant 600 von einem Kollegen zu kaufen. Wir fuhren zu dem Kollegen, sahen uns das Auto an und kauften es. Endlich hatten wir auch einen Wagen. Jetzt versuchte Werner, das Ding zu fahren. Er hatte nur auf Lastkraftwagen Fahrpraxis, so kamen wir bis zur nächsten Straßenkreuzung, wo wir an einer Ampel halten mußten. Als es grün wurde und wir losfahren wollten, gab es einen Ruck. Ruckartig hoppelten wir über die Kreuzung, als wir endlich standen, wollte ich aussteigen. So eine Fahrweise war ich von meinem Vater nicht gewöhnt. Werner bog sich vor Lachen, während ich vor Angst zitterte. "Ach, hab dich nicht so, ich weiß nun, daß ich falsch gekuppelt habe, es kommt nun nicht mehr vor" sagte er und blieb sitzen.

Im Sommer fuhren wir dann zur Ostsee und im Herbst nach Thüringen mit unserer neuen Errungenschaft. Im Trabant 600 konnte man keine Fenster öffnen, die Fenster vorne konnten nur seitlich aufgeklappt werden. Im Sommer war es ziemlich warm, dafür war es im Winter besonders kalt in diesen Autos, nicht nur einmal fuhr ich zugedeckt mit einer Decke mit.

Trabant 601

Nach einem Jahr war dann unsere Anmeldung dran. Was für eine Freude, Trabant 601 war schon besser ausgestattet. Die Fenster vorne konnten geöffnet werden. Da wir nun in einem Dreijahresrhythmus bleiben wollten, blieb uns nichts anderes übrig, als eine Anmeldung zu kaufen. Werner meinte, nach drei Jahren kosten die Autos Geld, dann geht hier und da etwas kaputt, um dies zu umgehen, brauchen wir in drei Jahren ein neues Auto.

Es gab Leute, die meldeten sich für einen Anhänger, Wohnwagen und Auto an, ohne je selbst etwas davon haben zu wollen. Sei es, sie wollten nicht Auto fahren oder sie hatten keinen Führerschein.

Diese "netten" Menschen verkauften ihre Anmeldungen. Der Preis für so eine begehrte "Trophäe" war so um die 1.000 Mark Ost. Ich lernte durch eine Freundin auch so eine Frau kennen. Wir freundeten uns an, und sie verkaufte uns ihre Autoanmeldung, für einen Trabant versteht sich. Diese ganze Prozedur ging wie folgt vor sich: Henni verkaufte uns ihre Anmeldung für einen Tausendmarkschein und gab uns dafür die Anmeldung. Werner legte sie schön weg und dann wurde gewartet. Eines Tages schaute man im Autohaus vorbei, mal sehen, welche Anmeldungsnummer gerade dran ist. Oh, wir sind bald dran, noch zehn Nummern. Henni wurde informiert, sie wurde gebeten, nun nicht zu verreisen, da sie ja zur Verfügung stehen mußte. Als sich nichts tat, gingen wir wieder nachsehen, und siehe da, eigentlich müßte der Bescheid schon unterwegs sein. Wir traten Henni auf die Hühneraugen, sie solle ja nicht den Termin "verfranzen".

"Langsam wurden wir unruhig"

Langsam wurden wir unruhig, sie wird uns doch wohl nicht verschaukeln wollen? Was könnten wir schon machen, wenn sie uns nicht Bescheid gibt, sie hat ja ihr Geld. Also trampelten wir energischer auf ihren Hühneraugen herum, wir fuhren einfach zu ihr in den Garten, wo auch Hennis Mann gerade war. Er konnte sich keine "Dinge" leisten, da er beruflich ein "Saubermann" sein mußte (er war Knastwärter). Nun gab sie zu, einen Brief vom Autohaus erhalten zu haben, wir machten einen Termin aus, wann wir hinfahren wollten.

Im Autohaus fragte kein Mensch, wieso die Fahrzeugpapiere von Frau SOUNDSO, auf deren Name ja die Anmeldung lief, auf einmal auf Herrn SOWIESO ausgeschrieben werden soll. Eine Probefahrt wurde gemacht, gezahlt wurde in bar, später zahlten wir auch mit Scheck. Dann fuhren wir Henni nach Hause, nicht ohne ihr aus "Dankbarkeit" noch einen Hundertmarkschein in die Hand zu drücken. Wir kauften noch eine Anmeldung von einer Bekannten, deren Mann plötzlich verstarb, dafür gab es einen aquariumblauen Trabant.

Von Henni kauften wir im Sommer 1989 noch eine Anmeldung, diesmal von ihrem Mann.

"Papyrusweiß" und "marineblau"

Dann hatten wir noch einen papyrusweißen Trabant und einen marineblauen. Wer die Farbennamen erfunden hat, müßte erschlagen werden. Blau ist Blau, höchstens Hellblau oder Dunkelblau, aber Aquariumblau oder Bahamagelb? Nee, also furchtbar, diese Namen.

Nun hatten wir aber noch ein Standbein offen. Vor vielen Jahren meldete sich mein Mann für einen Gebrauchtwagen an. Hätte ja sein können, wir hätten einen Wagen bekommen, der nicht zufällig den Namen Trabant hatte. Als sich fast 18 Jahre nichts tat, fuhren wir einmal hin. Wir wurden mit der Bemerkung abgefertigt, es gibt keine Gebrauchtwagen. Die nicht ganz durchgerosteten bekommen "Staatsdiener", die lassen dafür ihre "Rostlauben" dort. Werner war vergnatzt. "Jetzt schreibst du erst einmal eine Eingabe", sagte er, "du kannst das immer so gut".

Natürlich wurde die Eingabe wieder abgeschmettert. Wir mußten zur Unterredung in die Gebrauchtwagenzentrale. "Also mit Gewalt geht gar nichts, wenn Sie unbedingt ein altes Auto wollen, können Sie sich einen Wagen aussuchen". Dies erklärten uns die lieben Menschen dort, und schließlich sei man zu nichts verpflichtet. Wir gingen wieder los.

Gebraucht-Automarkt beim Flughafen Schönefeld

Immer wenn wir uns einen neuen Trabant kauften, mußte der alte verkauft werden. Da gab es einen Gebraucht-Automarkt in der Nähe vom Flughafen Schönefeld. Schon vor dem Eingang standen junge Leute, die ein Auto kaufen wollten. Sie sprachen jeden an, der auf das Gelände fahren wollte, und winkten mit ihren Geldscheinen. Das waren die "Zonenbewohner", die fast 10 Jahre auf ein Auto warten mußten, sie kauften hier in Berlin auf dem Automarkt ihre Autos. Alle Autos wurden über den Wert verkauft, die Leute boten Neupreise und Preise darüber, wenn ihnen ein Auto gefiel. Unseren letzten Trabant verkauften wir für 18.000 Mark Ost, bezahlt hatten wir 12.100 Mark Ost dafür. Am Anfang kosteten sie 9.000 Mark Ost.

Für den Überschuss kauften wir uns am 10.11.1988 einen schönen Farbfernseher, ein neues Modell von RFT "Colormat 4510 A". Dieser Apparat hatte ein Pal/Secam/CCIR-System und eine Fernbedienung. Nun konnten wir alle Sender in Farbe sehen. Vergessen der alte, grünstichige und Wellenlinien produzierende Apparat, der unsere letzten 100 DM geschluckt hatte.

Heute haben wir einen neuen Fernseher und eine Satellitenschüssel. Die Satellitenschüsseln schossen nach der Grenzöffnung wie Pilze aus dem Boden. Auch verschwanden schnell die Trabants von der Straße.

Als wir uns 1991 unseren Polo kauften, war das für mich wie Weihnachten und Ostern an einem Tag. 20 Jahre wünschte ich mir ein vernünftiges Auto, beneidete die anderen mit ihren schönen "Kutschen". Da wir nie so ein gutes Fahrzeug haben würden, wollten wir uns als nächstes einen Trabant mit Polo-Motor kaufen, der wäre natürlich noch teurer geworden. Dies brauchten wir aber nun Gott sei Dank nicht mehr.

Empfohlene Zitierweise:
Dux, Christel: Des deutschen Mannes liebstes Kind, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/christel-dux-des-deutschen-mannes-liebstes-kind.html
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