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Edith Stampe: Die Nachkriegszeit

Dieser Eintrag wurde von Edith Stampe (*1930) im September 2006 in Hamburg verfasst.

Schwarzmarkt

Am 3. April 1948 war ich 18. Jahre geworden, ich war jung und voller Lebensfreude. Tanzen war angesagt, aber wie? Schuhe konnte man nur auf dem schwarzen Markt kaufen. Eigentlich war dieser Markt verboten. Wenn man dort kaufte, durfte man sich nicht erwischen lassen, wenn es eine Razzia gab. Mein Vater ging trotz allem mit mir hin und kaufte mir für 300 Reichsmark ein paar Schuhe. Ich war sehr glücklich darüber und konnte nun tanzen gehen.

Währungsreform

Im Juli 1948 war dann die Währungsreform, pro Kopf gab es 40 DM. Nun hatte man wenig Geld und konnte auf einmal alles kaufen, was es die ganzen Jahre nicht gab. Wie das möglich war, ist mir auch heute noch ein Rätsel.

1950 lernte ich meinen Mann kennen, wir bzw. unsere Eltern waren Gartennachbarn. Meine zukünftigen Schwiegereltern waren zwei Tage, bevor Hamburg kampflos übergeben wurde, noch ausgebombt worden und wohnten nun in ihrem Schrebergarten. Mein Mann war noch zur Wehrmacht eingezogen worden, vorher auch noch zum Arbeitsdienst und geriet in den letzten Tagen des Krieges in Jugoslawien in Gefangenschaft, erst 1950 kam er zurück und stand dann vor dem zerbombten Haus der Eltern. Danach konnte mein Mann mit seinem erlernten Beruf als Schiffbauer nichts anfangen. Er fing dann, um seinen Eltern zu helfen, als Fernfahrer an.

Hochzeit 1951

Im Juni 1951 haben wir dann geheiratet, meine Eltern hatten kein Geld und haben dann unser Geschenk, einen Abwaschtisch, ein Jahr lang abbezahlt. Die Schwiegereltern schenkten uns 100 DM, die wir als Anzahlung für unser schönes Küchenbuffet nahmen. Es wurde nur innerhalb der Familie gefeiert, zur Feier des Tages gab es für alle Gulasch.

Der Traum jeder Frau, ein schönes Hochzeitskleid, war leider nicht drin. Ich bekam, mein Mann kaufte es mir, ein hübsches Sommerkleid mit Bordüren am Rand. Gewünscht haben wir uns von meiner Tante Töpfe. Unsere Milchfrau schenkte uns 12 Geschirrtücher, die ich heute noch teilweise besitze. Meine Kollegen legten zusammen, von denen gab es ein wunderhübsches Kaffeeservice, erstanden bei der Firma Lattorf, das erste Haus am Platze in der Dammtorstraße. Heute gibt es dies leider auch nicht mehr, wie vieles andere auch.

Wohnsituation

Zuerst hatten wir ein Zimmer bei der Schwiegermutter meiner Schwägerin - die bekam eine Wohnung mit ihren drei Kindern - das Zimmer war mit Küchenbenutzung, wie es so schön hieß - mit dem Ergebnis, dass die Schwiegermutter in unseren Verhältnissen besser Bescheid wusste wie wir!

Einmal habe ich auf dem Wohnungsamt gesagt, man würde wohl eher einen Platz in Ohlsdorf bekommen wie vom Wohnungsamt eine Wohnung. Nach langem Hin und Her und mit Hilfe eines Kollegen meines Mannes bekamen wir in einem Einzelhaus in Flottbek Zimmer und Küche. Klo war ein so genanntes Plumpsklo, welches auf dem Hof stand und umschichtig "entsorgt" werden musste. Meist blieb es an meinem Mann hängen, so dass wir aus Frust auch schon mal im naheliegenden Kino die Toilette aufsuchten. Dusche war sowieso ein "Fremdwort", aber der Ausguss oder Handstein - wie immer man es nannte - tat es auch.

Danach fing mein Mann als Kraftfahrer bei der Produktion (Konsum) an, und wir bekamen endlich eine 2-Zimmerwohnung in Barmbek, wo ich heute noch wohne. Heizung und Bad gab es viel später, leider konnte die Produktion nicht mit Geld umgehen, und so ist unser schöner Wiederaufbau in die Hände von Immobilienhaien geraten. Jetzt haben wir in einem Haus "12 Hauswirte", und wenn etwas nicht in Ordnung ist, dann weiß man nicht, an wen man sich wenden soll. Aber die Umwandlung von Mieterwohnungen in Eigentumswohnungen haben wir unserem Senat zu verdanken, aber das ist - wie vieles - leider auch Schnee von gestern.

Empfohlene Zitierweise:
Stampe, Edith: Die Nachkriegszeit, in: LeMO-Zeitzeugen, LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/edith-stampe-nachkriegszeit.html
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