Paul Spiegel 1937 - 2006

  • 1937

    31. Dezember: Paul Spiegel wird als zweites Kind einer jüdischen Familie im münsterländischen Warendorf geboren.

  • 1939

    Nach der Pogromnacht, in deren Verlauf Spiegels Vaters schwer misshandelt wird, emigriert die Familie nach Belgien. Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Belgien wird die jüngere Schwester Spiegels von den Nazis verschleppt und ermordet, der Vater deportiert. Paul Spiegel und seine Mutter überleben die Nazizeit im Versteck in Belgien, der Vater wird 1945 aus dem Konzentrationslager Dachau befreit.

  • 1945

    Unmittelbar nach Ende des Krieges kehrt die Familie in die Heimatstadt Warendorf zurück. Spiegel, der nur französisch spricht, erlernt schnell die deutsche Sprache und integriert sich wie der Rest der Familie in das gesellschaftliche Leben der westfälischen Kleinstadt.

  • 1958

    Seine berufliche Laufbahn beginnt Spiegel als Volontär bei der "Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung" in Düsseldorf, bei der er bis 1965 als Redakteur arbeitet.

  • 1960er Jahre

    Spiegel arbeitet als Korrespondent verschiedener Zeitungen und Zeitschriften, u.a.: "Montrealer Nachrichten", "Nieuw Israelietisch Weekblad" (Amsterdam), "Neue Welt" (Wien), "Jüdische Rundschau Maccabi" (Basel) und "Westfälische Rundschau"(Dortmund).

  • 1964

    Heirat mit Gisèle Spatz. Aus der Ehe gehen zwei Töchter hervor.

  • 1965-1972

    Spiegel arbeitet als Assistent des Generalsekretärs für den Zentralrat der Juden in Deutschland.

  • seit 1967

    Mitglied des Gemeinderates der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf.

  • 1973-1974

    Spiegel ist Chefredakteur der Zeitschrift "Mode & Wohnen" (Düsseldorf).

  • 1974-1986

    Leiter der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes.

  • 1978-1984

    Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf.

  • 1984

    Spiegel wird Vorsitzender des Gemeinderates der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf.

  • 1986

    Gründung der Internationalen Künstler-und Medienagentur Paul Spiegel. Die Agentur betreut unter anderem Hans Rosenthal, Rudi Carrell, Mary Roos und Dagmar Berghoff.

  • 1989-2000

    Spiegel ist Vorsitzender der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland.

    Seit 1991 gehört er dem Rundfunkrat und dem Programmausschuss des WDR an.

  • 1993

    Spiegel erhält den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen.

  • ab 1993

    Unter der Präsidentschaft von Ignatz Bubis nimmt Spiegel im Zentralrat der Juden in Deutschland - gemeinsam mit Charlotte Knobloch (geb.1932) - das Amt des Vizepräsidenten wahr. 1995 wird er Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein, der damals bereits über 12.000 Mitglieder zählt.

  • 1997

    Spiegel erhält das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

  • 2000

    9. Januar: Nach dem Tod von Ignatz Bubis wird Spiegel Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. Charlotte Knobloch und Michel Friedmann (geb. 1956) werden seine Stellvertreter.

    21. September: Anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Zentralrates der Juden in Deutschland klagt Spiegel über wachsenden Hass auf Fremde und Juden. Er richtet sich gegen die Kampagne des hessischen Ministerpräsidenten Koch (geb.1958) (CDU), der die doppelte Staatsbürgerschaft abschaffen will sowie die Unterscheidung des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (geb.1943) (CSU) zwischen "nützlichen" und unerwünschten Ausländern. In Parolen wie "Kinder statt Inder" sieht Spiegel Ursachen von Gewalttaten gegen Ausländer und andere Minderheiten.

    5. Oktober: Spiegel bezeichnet die Nominierung des Schriftstellers Martin Walser für den Preis "Das unerschrockene Wort" als "fatales Zeichen". Walser habe in seiner Frankfurter Rede Neonazis und Rechtsradikalen Munition geliefert.

    9. November: Auf einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor aus Anlass der Jahrestages der Pogromnacht fordert Spiegel "deutliche Signale, dass die nichtjüdische Bevölkerung uns und unsere jüdischen Gemeinden in diesem Land haben wollen." Scharf kritisiert er den Begriff der deutschen "Leitkultur".

  • 2001

    In seiner Autobiografie "Wieder zuhause? - Erinnerungen und Visionen" beschreibt Spiegel den Zwiespalt, als Jude in Deutschland zu leben. Ein Dasein, das sich auf dünnem Eis bewegt, Spiegel aber dennoch auf eine jüdische "Heimkehr" nach Deutschland hoffen lässt.

    Spiegel erhält den Heinrich-Albertz-Preis.

    Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Warendorf.

  • 2002

    Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Freien Demokratischen Partei (FDP), Jürgen Möllemann (1945-2003) , wirft Spiegels Stellvertreter Michel Friedmann vor, durch seine gehässige Art Antisemiten in Deutschland Zulauf zu verschaffen.

    Vor der Bundestagswahl greift Möllemann Friedmann mit einem israelkritischen Flugblatt erneut an. Spiegel bezeichnet Möllemanns Äußerungen als größte Beleidigung von Juden durch eine Partei in der Geschichte der Bundesrepublik.

    Verleihung des nordrhein-westfälischen Staatspreises.

  • 2003

    28. Januar: Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden. Die Bundesrepublik verpflichtet sich, zur Pflege des deutsch-jüdischen Kulturerbes und zum Aufbau einer jüdischen Gemeinschaft in Deutschland beizutragen. Zu diesem Zweck unterstützt sie den Zentralrat mit jährlich drei Millionen Euro. Spiegel sieht in dem Vertrag einen "großen Vertrauensbeweis" der in Deutschland lebenden Juden.

    Mit seinem Buch "Was ist koscher?" möchte Spiegel nichtjüdische Deutsche auf unterhaltsame Weise mit jüdischer Religion, Tradition und jüdischem Alltag vertraut machen.

    Für seine Vermittlung zwischen Juden und Christen erhält er den Quirinuspreis. Der Preis wird an Persönlichkeiten verliehen, die durch ihr kulturelles, wissenschaftliches oder politisches Engagement dazu beitragen, Barrieren zwischen Menschen und Völkern zu beseitigen.

  • 2004

    11. Februar: Spiegel erhält die Ehrendoktorwürde der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

  • 2005

    März: Spiegel zieht eine düstere Bilanz seiner bisherigen Zeit als Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er beklagt eine deutlich gesunkene Hemmschwelle für antisemitische Vorurteile auch in Kreisen, "in denen ich das nicht für möglich gehalten hatte".

    Spiegel kritisiert, dass die Bundesländer den Zuzug von Juden aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion einschränken wollen.

    Entsetzt zeigt er sich über Äußerungen des Kölner Kardinals Joachim Meisner (geb.1933), die Holocaust und Abtreibung in einen Zusammenhang stellen.

  • 2006

    30. April: Paul Spiegel stirbt nach längerer Krankheit in Düsseldorf.

    4. Mai: Bei der Trauerfeier in der Synagoge der jüdischen Gemeinde in Düsseldorf nehmen mehrere hundert Menschen, darunter zahlreiche Vertreter aus Politik, Kunst und Kultur Abschied von Paul Spiegel.

 

(sw/reh) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 19.01.2016
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Haunhorst, Regina/Wirtz, Susanne: Biografie Paul Spiegel, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/paul-spiegel.html
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