Dieser Eintrag wurde von Helene Bornkessel (*1920) im November 2003 im Seniorenbüro Hamburg verfasst.
Ende Mai kam ich nach einem dreiwöchigen Fußmarsch von Schwerin wieder in Hamburg an. Ich war noch im Dezember 1944 zur Wehrmacht eingezogen worden. Aber was nun und wohin? Ich konnte erst einmal bei meinem Bruder und dessen Pflegeeltern unterkommen. Auf dem Dachboden standen noch zwei Betten. Die Geschwister waren glücklich, sie hatten den Krieg heil überstanden.
Danach besuchte ich meine Freundin Margot in Wandsbek in der stillen Hoffnung dort mit zu wohnen, die Wohnung war schon mit Flüchtlingen und Ausgebombten überbelegt. Aber mein Fahrrad stand da fahrbereit im Keller. Jetzt fuhr ich nach Itzehoe zur Freundin Hilde. Dort waren ja die Wohnungen heil geblieben. Hilde freute sich, aber an Wohnen war auch dort nicht zu denken. Alle hatten schon Flüchtlinge aufnehmen müssen.
Ich war in Hamburg registriert und mußte mich da um Arbeit und Wohnmöglichkeit kümmern. Arbeit bekam ich schnell, ich konnte sogar den Beruf wechseln, aber ein Zimmer?
Nun hielt Margot die Ohren offen und fand eine erste Bleibe. In einem Einfamilienhaus mußte ein sehr altes Ehepaar ein Zimmer abgeben. Ich bekam die "gute alte Stube" zugewiesen.
Das Zimmer war voll mit alten Plüschmöbeln. Ein Sofa mit Umbau war mein Schlafplatz, dann Troddelsessel-Vertikos und ein Klavier. Letzteres konnte aber bald Platz machen für ein Luftschutzbett. Vor dem Fenster befand sich die viel benutzte Veranda - so war ich selten ohne Aufsicht. Bei der Bad- und Küchenbenutzung eckte ich oft an. Die alten Menschen waren einfach überfordert.
Im August 1945 konnte ich endlich mein Plüschparadies verlassen. Nach einer neuen Verordnung stand jeder Person nur noch 6 qm zur Verfügung. Nun mußten auch Wohnungsinhaber Untermieter aufnehmen. Ich bekam ein fast leeres Zimmer aber mit einem Ofen in einer Dreizimmerwohnung. Hier nahm ich aber der 8jährigen Tochter das Kinderzimmer weg. Ich fühlte mich immer wie ein Eindringling. Aber ich wohnte dort einige Jahre und das Zusammenleben klappte da auch besser.
Nur meine knappen Holz- und Brikettzuteilungen mußte ich unter meinem Bett verstauen, auf dem Boden wurden sie gemeinschaftlich verfeuert. Die noch fehlenden Möbel hatte ich schnell zusammen. Eine elektrische Kochplatte konnte ich im Tauschgeschäft erwerben. Heizen konnte ich mein Zimmer nicht oft. Aber Margot war ja in der Nähe. Dort wurde zum Abend ein Zimmer von vier geheizt und alle Bewohner trafen sich dann in der Nähe des Ofens und ich durfte mich auch mit aufwärmen. Zweimal ließ ich mich zum Kohleklauen überreden, aber ich hatte zu viel Angst.
Im August 1948 heiratete ich und wir konnten uns ein Behelfsheim ausbauen.
Empfohlene Zitierweise:
Bornkessel, Helene: Wohnungssuche nach dem Kriegsende 1945, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/helene-bornkessel-wohnungssuche-nach-dem-kriegsende.html
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