Zeitzeugen > Nachkriegsjahre

Horst Lippmann: Schwarzmarkt

Dieser Eintrag wurde von Horst Lippmann (*1933) aus Hamburg im September 2006 verfasst.

Mai 1945

Gleich nach dem Krieg, Mai 1945, ging das Hungern erst richtig los. Es gab zwar Lebensmittelkarten, aber trotzdem bekam man nicht immer das Nahrungsmittel, wofür eine bestimmte Marke vorgesehen war. Auch für den Kaufmann im Lebensmittelgeschäft war es sehr schwierig, bestimmte Grundnahrungsmittel für die Kunden zu besorgen. Hinter vorgehaltener Hand hörten wir von den Erwachsenen immer öfter: "Schinken, Speck und Eier fressen unsere Befreier!" Damit war natürlich nur gemeint, dass die englischen Besatzungssoldaten sich mit unseren Lebensmittelvorräten ihren Hunger stillten. Also blieb uns nichts anderes übrig, als ab und zu auf den Schwarzmarkt zu gehen. Etwas Geld hatten wir ja noch, auch wenn es immer wertloser wurde. Ich glaube, meine Eltern waren nie auf dem Schwarzmarkt.

Auf dem Schwarzmarkt

Mein Freund und ich waren einige Male mit der Straßenbahn hingefahren, denn uns Jungs von 13 und 14 Jahren knurrte sehr oft der Magen. Wir fuhren zur Susannenstraße nach Eimsbüttel. Dort hielten wir uns manchmal den ganzen Tag auf. Die Verkäufer von Schwarzwaren standen in den Hauseingängen der großen Mietshäuser, die im Krieg stehen geblieben waren. In gewissen Abständen fand man allerdings auch die Überreste und Trümmer von zerbombten Häusern.

Wenn mein Freund und ich aus der Straßenbahn ausgestiegen waren, gingen wir zunächst die ganze Straße auf beiden Seiten ab, um zu hören und zu sehen, was an dem Tag alles angeboten wurde. Das war nämlich von Tag zu Tag verschieden. Die Schwarzhändler murmelten leise die Bezeichnung der Ware und noch leiser den Preis. Sie mussten immer in ihrer Nähe einen Polizisten fürchten, der alles hören würde. Es wurde beispielsweise vieles angeboten, was es auf Lebensmittelkarten gab oder zumindest geben sollte. Die Zuteilung reichte eigentlich nie aus, und das bedeutete Hunger und Magenknurren als Dauerzustand. Ganz besonders jetzt, nach dem Krieg, verschlechterte sich dieser Zustand dramatisch.

Schwarzmarktpreise

Die Angebote in der Susannenstraße waren dagegen oft sehr reichhaltig. Da gab es Butter, Zucker, Brot und Brötchen, Süßstofftabletten und Schokolade, Schnaps und amerikanische Zigaretten (Lucky-Strike) und auch Feuersteine. Die Preise für alle diese schönen Dinge waren sehr hoch, eben Schwarzmarktpreise! Aber andererseits dachten wir, was nützt einem das Geld in der Tasche, wenn man regulär nichts dafür kaufen kann? Da gab man schon mal zehn Reichsmark für eine amerikanische Zigarette oder sieben Reichsmark für eine deutsche Zigarette aus. Für ein Päckchen Süßstofftabletten bezahlten mein Freund und ich 50 Reichsmark. Eine Tablette davon prüften wir gleich durch Anlecken, ob es wirklich Süßstoff war. Kontrolle war immer angebracht! Beim Kauf von Feuersteinen für Gasanzünder musste man auch vorsichtig sein, damit man nicht mit abgesägten Aluminiumnieten betrogen wurde. Mit einem Feuerstein kurz an einem Stein gerieben kamen Funken, dann war es das Richtige.

Polizeirazzia

Aber auch eine Polizeirazzia haben mein Freund und ich auf dem Schwarzmarkt in der Susannenstraße miterlebt. Das machte uns große Angst. Ein Mannschaftswagen der Polizei kam herangefahren, die Polizisten sprangen heraus und kesselten alle Hauseingänge ein. Die Händler, die an den Haustüren oder Hauseingängen ihre Ware angeboten hatten, flüchteten und versteckten sich ganz schnell in den großen Treppenhäusern. Aber auch diejenigen, die schon etwas Gutes gekauft hatten, versuchten irgendwo ein Schlupfloch als Versteck zu finden. Trotzdem wurden einige Händler, aber auch Käufer, fast immer geschnappt. Sie wurden zur nächsten Wache mitgenommen und mussten ihre Personalien angeben. Wurden bei den Erwachsenen viele große Geldscheine gefunden, wurde es von der Polizei beschlagnahmt bis sie beweisen konnten, woher sie das Geld hatten.

Als das Schreckerlebnis mit der Polizeirazzia bei meinem Freund und mir etwas abgeklungen war, fuhren wir wieder gerne zum Schwarzmarkt in die Susannenstraße.

Empfohlene Zitierweise:
Lippmann, Horst: Schwarzmarkt, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/horst-lippmann-schwarzmarkt.html
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