Wolf Vostell 1932 - 1998

  • 1932

    14. Oktober: Wolf Vostell wird als Sohn eines Eisenbahnschaffners in Leverkusen geboren.

  • 1950-1953

    Lehre als Photolithograph.

  • 1954/55

    Studium an der Werkkunstschule Wuppertal.

    August/September: Erster Paris-Aufenthalt. Hier entsteht sein künstlerisches Prinzip der Décollage: Am 6. September 1954 entdeckt er die Schlagzeile zu einem Flugzeugabsturz, der sich während des Starts ereignet hat. Vostell macht sich die Mehrdeutigkeit des französischen Begriffs "decollage" zunutze: Neben dem Abheben eines Flugzeugs meint er auch Geleimtes ablösen, abkratzen oder sterben.

    Vostell reißt daraufhin Papierschichten von den öffentlichen Plakatwänden und holt alte Schichten wieder zum Vorschein. Der Prozess wird zum Sinnbild des Lebens: Was gerade noch Gegenwart ist, hat im nächsten Moment seine Aktualität verloren. Jede Station des Daseins wird von einer neuen überklebt und verdeckt. Die Papierfetzen bearbeitet Vostell mit verschiedenen Mitteln weiter. Das Gewicht liegt auf dem Prozess der Veränderung.

    Vostell lernt den Komponisten Karlheinz Stockhausen (1928-2007) kennen.

  • 1955-1957

    Vostell setzt seine künstlerische Ausbildung in Paris an der Ècole des Beaux-Arts in Malerei, Graphik und Anatomie fort.

  • 1958

    Vostell studiert an der Düsseldorfer Akademie und unternimmt eine Reise nach Spanien.

    In Paris organisiert er seine "Decoll/age happenings". Unter dem Titel "Das Theater ist auf der Straße" fordert er Passanten auf, Plakattexte laut vorzulesen oder Gesten fortzusetzen, die auf den decollagierten Papierstücken zu sehen sind.

    Die Leitidee lautet: "Kunst ist Leben, Leben ist Kunst". Dafür will er z.B. Spuren eines Verkehrsunfalls am Ort sichtbar erhalten. Der Betrachter soll zur Auseinandersetzung mit der Realität angeregt werden, indem der Künstler ihm Extremmomente der menschlichen Existenz vor Augen führt.

    In den 1950er Jahren wird das Fernsehen in Deutschland eingeführt. Vostell setzt sich kritisch mit dem neuen Medium auseinander. In seinem "Deutschen Ausblick" kombiniert er klassische Bildelemente mit völlig neuen: Neben unbeweglichen malerischen und plastischen Elementen verwendet er die bewegten elektronischen Bilder des Fernsehens.

    Vostell und der zeitgleich in Köln lebende Koreaner Nam June Paik sind die ersten, die noch vor der New Yorker Avantgarde das Fernsehen als künstlerisches Medium entdecken.

  • 1960

    Heirat mit der Spanierin Mercedes Guardado Olivenza.

  • 1962

    Vostell gründet mit anderen Künstlern die Gruppe "FLUXUS". Sie veranstalten Festivals in Wiesbaden, Kopenhagen und Paris. Der Name Fluxus (lat. = fließen) weist darauf hin, dass die Teilnehmer die Grenzen der klassischen Kunstgattungen überwinden wollen. Häufig bedienen sie sich der Provokation, um das Publikum anzuregen, festgefügte Vorstellungen abzulegen.

  • 1963-1965

    In der Wuppertaler Galerie Parnaß realisiert Vostell sein erstes Happening: "Neun-Nein-dé-coll/agen".

    Der Künstler bereitet den äußeren Ablauf der Geschehnisse vor und veranlaßt das Publikum, bestimmte Handlungen durchzuführen. Damit wird Vostell zum Begründer des Happenings.

    Erste Einzelausstellung in New York, Galerie Smolin.

  • 1964

    Ab Mitte der 1960er Jahre nimmt Vostell in seinen Schichtenbildern Bezug auf aktuelle Themen in Gesellschaft und Politik.

    Vostells größtes und aufwendigstes Happening ist "In Ulm, um Ulm und um Ulm herum". Es findet innerhalb von sechs Stunden an 24 Orten statt. Zu den Stationen gehören u.a. ein Schlachthof, eine Müllhalde und ein Bundeswehrflughafen. Nach Vostells Regie wird hier ein Konzert mit drei Düsenjets durchgeführt. Die Anwesenden sollen über Assoziationen auf aktuelle Geschehnisse, wie z.B. den Vietnamkrieg, aufmerksam gemacht werden.

  • 1966

    Für sein 14-tägiges Happening "Dogs and Chinese not allowed" bezieht Vostell das gesamte U-Bahnnetz der Stadt New York mit ein.

  • 1968

    Vostells "Electronic Décoll/age Happening Space" wird in Nürnberg gezeigt und ist anschließend auch auf der Biennale in Venedig zu sehen.

  • 1969

    In Köln betoniert Vostell einen Opel Kapitän dergestalt ein, dass die Form des Autos an einen Sarg erinnert.

  • 1971

    Vostell zieht in das geteilte Berlin. Die Stadt ist für ihn Symbol der Gewalt und Brutalität. Der Holocaust und die Berliner Mauer gehören zu den zentralen Themen seines Werks.

  • 1974

    Das Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris widmet ihm eine erste umfassende Retrospektive. Die gekürzte Fassung wird ein Jahr später in der West-Berliner Nationalgalerie gezeigt.

  • 1978

    Vostell beteiligt sich an der Kasseler documenta 6.

  • 1978/79

    In Spanien und Portugal werden drei weitere große Retrospektiven gezeigt.

  • 1981

    Vostell läßt den FLUXUS-Zug über 15 Stationen durch Deutschland reisen. Seine Environments werden in Containern untergebracht. Das Environment "ist ein im Raum begehbarer Kunst-Raum" und gehört neben FLUXUS und Happening zu Vostells wichtigsten künstlerischen Ausdrucksformen.

  • 1987

    Aufstellung eines Beton-Cadillac-Denkmals auf dem West-Berliner Rathenau-Platz.

  • 1989

    9. November: mit einem sogenannten Ereignisbild reagiert Vostell unmittelbar auf den Fall der Berliner Mauer. Weitere Versionen folgen.

  • 1990

    "The Fall of the Berlin Wall VI" zieht ein pessimistisches Resümee der deutschen Wiedervereinigung, Vostell entwirft darin aber auch im allgemeinen Sinn ein negatives Weltbild.

  • 1992

    Das Land Nordrhein-Westfalen widmet Vostell eine Gesamtschau, die auf verschiedene Städte verteilt wird. Bonn: Zeichnungen und Papierarbeiten; Köln: Environments; Leverkusen: das malerische Werk; Mannheim: Multiples und Druckgraphiken; Mühlheim: Videoarbeiten. Das Land Berlin ernennt Vostell zum "Professor ehrenhalber".

  • 1993

    In Marl wird Vostells größte Skulptur "La Tortuga" installiert, in dem er zu Deutschlands Situation am Ende des 20. Jahrhunderts Stellung bezieht.

  • 1997

    Vostell wird von der Stadt Berlin mit dem Hannah-Höch-Preis ausgezeichnet.

  • 1998

    3. April: Wolf Vostell stirbt an Herzversagen.

    Das Museo Vostell in dem spanischen Dorf Malpartida de Cáceres in der Provinz Extremadura wird posthum eröffnet. Es zeigt Werke Vostells und anderer FLUXUS-Künstler.

 

(br) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 20.04.2016
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Radau, Birte: Biografie Wolf Vostell, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/wolf-vostell.html
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