Zeitzeugen > Geteiltes Deutschland: Gründerjahre

Helmut Beschke: Wachsender Unmut und Stalins Tod am 5. März 1953

Dieser Eintrag wurde von Helmut Beschke (*1919) 2012 in Hanau verfasst.

Stimmungslage in der DDR 1953

Dies war auch die Zeit der beginnenden Sozialisierung. Die Bauern wurden enteignet, mussten sich in Kolchosen zusammenschließen. Die Handwerker kamen auch unter diesen Druck, wer sich weigerte, bekam keine Aufträge. In den Betrieben gab es laufend "Normerhöhungen", die Arbeiter fingen an zu murren. Man hörte ständig von Flüchtlingen, die sich heimlich in den Westen abgesetzt hatten. Einige waren geschnappt und wegen "verbrecherischer Republikflucht" zu Zuchthaus verurteilt worden. Immer mehr Bekannte waren geflohen, schließlich auch unsere Mieter-Familie.[Meine Ehefrau] Evchen fragte mich um Rat, wie wir uns verhalten sollten. Ich dachte an das herrliche Haus, das Grundstück, Evchens und meinen Beruf, Natchens Schule, alles wichtige Gründe, nicht einfach ins Blaue hinein alles liegen zu lassen. Ich sagte, dass ich in der Gefangenschaft die ganzen Phrasen gelernt hätte, die man braucht, um in dieser Diktatur zu leben. Also machen wir hier weiter.

Am 5. März 1953 starb Stalin. Das wurde aber nicht gleich überall bekannt. In den "Volkseigenen Betrieben" kam die Todesnachricht zuerst unter das Volk. Nach Dienst ging ich zunächst in die HO, den sozialistischen Laden, um zu sehen, was es eventuell Gutes gab. Es gab Bratwürste, ich kaufte drei. Zu Hause verkündete ich Evchen und Natchen: "Heute gibt es Bratwürste!" Natchen war erstaunt und meinte, heute sei doch erst Donnerstag, so etwas gibt es doch nur am Sonntag. Ich, im Flüsterton: "Stalin ist gestorben!" Großer Jubel der ganzen Familie. Das hat uns geschmeckt!

Zur Person

Helmut Beschke (*26.8.1919) geht in Weißenfels an der Saale zur Schule. Nach Arbeitsdienst und Wehrdienst kämpft er im Zweiten Weltkrieg von Kriegsausbruch an als Soldat bei Feldzügen in Polen, Frankreich, Italien, der Sowjetunion und in der Ardennenoffensive. Er wird verwundet, studiert ein Semester Chemie in Jena, heiratet und kehrt zurück an die Front. Im März 1945 gerät er zunächst in amerikanische Kriegsgefangenschaft und durchläuft mehrere Lager in Frankreich: Foucarville, Voves und Attichy. Danach wird er in Deutschland der sowjetischen Armee übergeben und u.a. im ehemaligen KZ Sachsenhausen in Oranienburg festgehalten, bis er quer durch die UdSSR bis zum Kaukasus nach Wladikawkas und Kasbek gebracht. Anschließend kommt er in verschiedene Gefangenenlager in Georgien und Abchasien, bis zu seiner Entlassung in November 1949. Zurück bei seiner Familie in Jena arbeitet Beschke bei Jenapharm. 1953 gelingt ihm die Flucht aus der DDR in den Westen. Bis zur Pensionierung 1982 arbeitet er bei Degussa in der Forschung. Nach dem Tod seiner Ehefrau 2009 schreibt er an seinem Wohnsitz in Hanau seine Lebenserinnerungen auf.

Empfohlene Zitierweise:
Beschke, Helmut: Wachsender Unmut und Stalins Tod am 5. März 1953, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/helmut-beschke-wachsender-unmut.html
Zuletzt besucht am: 23.04.2024

lo