Reiner Kunze geb. 1933

Reiner Kunze ist ein deutscher Schriftsteller, der besonders mit seiner Lyrik in der DDR bekannt wird. Spätestens mit seinem systemkritischem Prosaband „Die wunderbaren Jahre“ gerät er in Konflikt mit dem SED-Regime und kann 1977 in die Bundesrepublik übersiedeln.

  • 1933

    16. August: Reiner Kunze wird in Oelsnitz im Erzgebirge als Sohn eines Bergarbeiters und einer Heimarbeiterin der Strumpfindustrie geboren.

  • 1949-1951

    Besuch einer Aufbauklasse für Arbeiterkinder in Stollberg/Erzgebirge.

  • 1949

    Eintritt in die SED.

  • 1951-1955

    Nach dem Abitur studiert Kunze Philosophie und Journalistik an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Die Fakultät für Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig ist die einzige Möglichkeit für Journalisten, eine universitäre Ausbildung in der DDR zu erhalten. Dort hört er auch Vorlesungen von Hans Mayer (1907-2001) und Ernst Bloch, die später in die Bundesrepublik übersiedeln.

  • 1953

    Veröffentlichung erster Gedichte in der Zeitschrift "Neue Deutsche Literatur".

  • 1955-1959

    Wissenschaftlicher Assistent an der Journalistischen Fakultät der Karl-Marx-Universität in Leipzig.

  • 1959

    Veröffentlichung seines ersten Lyrikbandes unter dem Titel "Vögel über dem Tau".

    Das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) wirft Kunze vor, in der Lehre Studenten negativ zu beeinflussen und nicht systemtreue Studenten zu fördern. Er reicht vor Beendigung seiner Promotion die Kündigung ein.

  • 1959-1961

    Arbeit als Hilfsschlosser im Schwermaschinenbau.

  • 1961

    Heirat mit der tschechoslowakischen Ärztin Elisabeth Littner (geb. Mifka). Sie haben eine Tochter, Marcela.

  • ab 1962

    Freischaffender Schriftsteller in Greiz/Thüringen.

  • 1968

    Nach der gewaltsamen Beendigung des Prager Frühlings durch die Warschauer Pakt-Staaten tritt Kunze aus der SED aus. Das Ministerium für Staatssicherheit legt eine Akte über Kunze mit dem Decknamen "Lyrik" an.

  • ab 1969

    Während die Veröffentlichung seiner Werke in der DDR für Kunze nahezu unmöglich wird, etabliert er sich in der Bundesrepublik mit seinem Gedichtband "sensible wege" (1969), dem Kinderbuch "Der Löwe Leopold. Fast Märchen, fast Geschichte" (1970) und dem Gedichtband "zimmerlautstärke" (1972).

  • 1971-1977

    Freundschaft mit Manfred Böhme, dem Kreissekretär des Kulturbundes in Greiz und dem späteren Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei der DDR. Böhme berichtet über Kunze an das Ministerium für Staatssicherheit (MfS).

  • 1973

    Kunze darf, unter Verzicht auf einige kritische Texte, in Leipzig die Lyrikauswahl "Brief mit blauem Siegel" veröffentlichen.

  • 1976

    Nach der Veröffentlichung des Prosabandes "Die wunderbaren Jahre" in einem bundesdeutschen Verlag kommt es zum endgültigen Bruch mit dem SED-Regime. Der Prosaband beschreibt in Momentaufnahmen den Alltag der DDR-Jugend, die zu Anpassung und Gehorsam erzogen wird. Kunze wird daraufhin aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkommt.

    Kunze schließt sich dem Protest gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann an.

  • 1977

    Nachdem Kunze für sich und seine Familie einen Antrag auf Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft gestellt hat, kann er bereits eine Woche später im April 1977 in die Bundesrepublik ausreisen.

    Er lässt sich in Obernzell-Erlau bei Passau nieder.

    Verleihung des Georg-Trakl-Preises.

  • 1978

    Verleihung des Georg-Büchner-Preises.

  • 1979

    Auszeichnung mit dem Bayerischen Filmpreis für sein Drehbuch zu " Die wunderbaren Jahren".

  • 1981

    Als ersten Gedichtband nach seiner Übersiedlung veröffentlicht Kunze "auf eigene hoffnung". Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises.

  • 1988/89

    Gastdozent für Poetik an den Universitäten München und Würzburg.

  • 1990

    Zum ersten Mal seit 1977 reist Kunze in seine frühere Heimatstadt Greiz. Anschließend schreibt er die Dokumentation "Deckname Lyrik", die in Auszügen seine im Verlauf von 25 Jahren aufgezeichneten Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) wiedergeben. Mit dieser Veröffentlichung enttarnt er den Vorsitzenden der DDR-SPD Manfred "Ibrahim" Böhme als langjährigen Mitarbeiter des MfS.

  • 1992

    Austritt aus der Akademie der Künste (West) aus Protest gegen allgemeine Übernahme aller Mitglieder der Akademie der Künste (Ost).

  • 1993

    Auszeichnung mit dem Großen Bundesverdienstkreuz.

  • 1994

    Veröffentlichung der Schrift "Wo Freiheit ist... Gespräche 1977-1993".

  • 1995

    Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Greiz.

  • 1996

    Veröffentlichung des Bandes "Steine und Lieder. Namibische Notizen und Fotos".

    Auszeichnung mit dem Weilheimer Literaturpreis.

    Austritt aus dem PEN-Zentrum Bundesrepublik Deutschland anlässlich der Vereinigungsverhandlungen mit dem Deutschen PEN-Zentrum Ost.

  • 1998

    Veröffentlichung des Gedichtbandes "Ein Tag auf dieser Erde". Verleihung des Europapreises Poesie.

  • 1999

    Auszeichnung mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg.

  • 2002

    Oktober: Kunze gibt den Bildband "Der Kuss der Koi. Prosa und Fotos" heraus, mit dem er auch sein fotografisches Können unter Beweis stellt.

  • 2002/2004

    Seit der deutschen Rechtschreibreform 1996 ist Kunze ein Kritiker der neuen Regelung. In seiner Denkschrift „Die Aura der Wörter“ (2002) und einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (14.8.2004) wendet sich Kunze vehement gegen die Reform.

    Für dieses Engagement wird er von der Schweizer "Stiftung für abendländische Gesinnung" 2004 mit einem Preis bedacht.

  • 2003

    August: In dem Buch „Wo wir zu Hause das Salz haben“ interpretiert Kunze osteuropäische und insbesondere tschechische Lyrik. In dem Band sind Übersetzungen von Gedichten meist verfolgter Autoren aus 40 Jahren osteuropäischer Literatur versammelt.

    Zu seinem 70. Geburtstag wird Kunze von deutschen Medien als „Schönheitssucher“ und „Mahner, unbequem in Ost und West“ gewürdigt.

  • 2005

    März: Kunze veröffentlicht unter dem Titel "Bleibt nur die eigene Stirn" eine Auswahl seiner Reden. Der Rheinische Merkur bezeichnet das Buch als „Autobiographie in Bruchstücken“.

  • 2006

    Reiner und Elisabeth Kunze gründen eine Stiftung, die Haus und Garten des Paares nach ihrem Tod erhalten und in ein Museum zur jüngeren deutschen Geschichte umwandeln soll.

  • 2007

    August: Der Gedichtband „lindennacht“ wird vom Feuilleton vielfach als Beginn von Kunzes Alterswerk angesehen. Die knappen Landschaftsbilder und Naturbeobachtungen hätten etwas „Abschließendes, Epilogisches, Testamentarisches“.

  • 2008

    25. September: Kunze wird mit dem Thüringer Verdienstorden für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

    Dezember: Der „Memminger Freiheitspreis 1525“ (dotiert mit 15.000 Euro) geht an Reiner Kunze. Er erhält die Ehrung für seinen "scharfsinnigen wie sensiblen Umgang mit der deutsch-deutschen Vergangenheit".

  • 2011

    März: Kunze veröffentlicht einen Lyrik-Band für Kinder: "Was macht die Biene auf dem Meer? Gedichte für Kinder".

  • 2014

    Juni: Für seine Übersetzungen tschechischer Literatur wird Kunze vom tschechischen Außenministerium mit dem „Gratias-Agit“-Preis ausgezeichnet.

  • 2015

    Mai: Kunze erhält als erster Schriftsteller überhaupt den Franz Josef Strauß-Preis der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung.

 

(iz) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 09.04.2018
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Zündorf, Irmgard: Biografie Reiner Kunze, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/reiner-kunze.html
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