Richard von Weizsäcker 1920 - 2015

Richard von Weizsäcker ist Jurist, CDU-Politiker und von 1984 bis 1994 der sechste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Er ist einer der politischsten und auch beliebtesten Bundespräsidenten. Seine Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes gilt als Meilenstein in der öffentlichen Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Deutschland. Weizsäcker setzt sich für eine Aussöhnung mit der DDR und der Sowjetunion ein, in seine Amtszeit fällt auch die deutsche Wiedervereinigung.

  • 1920

    15. April: Richard von Weizsäcker wird in Stuttgart als viertes Kind des Diplomaten Ernst von Weizsäcker und Marianne von Weizsäcker, (Geburtsname: von Graevenitz), geboren. Seine Kindheit und Jugend verbringt Weizsäcker aufgrund des Diplomatenberufs des Vaters in der Schweiz, in Dänemark und in Berlin.

  • 1937/38

    Sprachstudien und Besuch von Geschichts- und Philosophievorlesungen in Oxford/England und Grenoble/Frankreich.

    Anschließend wird Weizsäcker zum Reichsarbeitsdienst eingezogen.

  • 1938/39

    Weizsäcker tritt in den Militärdienst ein. Von Oktober bis August erhält er seine Ausbildung im Potsdamer Infanterieregiment 9, wo sein Bruder Heinrich als Leutnant dient.

  • 1939-1945

    Weizsäcker ist Soldat im Zweiten Weltkrieg, zuletzt Hauptmann der Reserve in einem Infanterieregiment. Unter anderem nimmt er am Überfall auf Polen im September 1939 und am Krieg gegen die Sowjetunion 1941 bis 1945 teil. Im April 1945 wird er in Ostpreußen verletzt und zurück nach Potsdam transportiert.

  • 1945-1950

    Studium der Rechtswissenschaften und Geschichte in Göttingen.

  • 1948/49

    Als Assistent des Rechtsanwalts Hellmut Becker wird er im Wilhelmstraßen-Prozess (gegen die Hauptverantwortlichen im Auswärtigen Amt), im Rahmen der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, Hilfsverteidiger seines Vaters Ernst von Weizsäcker. Ernst von Weizsäcker wird zu sieben Jahren Haft verurteilt und 1950 vorzeitig entlassen.

  • 1950-1953

    Nach dem Referendarexamen im Sommer 1950 arbeitet Weizsäcker als wissenschaftliche Hilfskraft beim Bergbau der Mannesmann AG in Gelsenkirchen.

  • 1953

    Assessorexamen in Düsseldorf. Heirat mit Marianne von Kretschmann. Aus der Ehe gehen vier Kinder hervor.

  • 1953-1958

    Tätigkeit bei der Firma Mannesmann AG Düsseldorf: Zuerst als Mitglied der Rechtsabteilung, seit 1957 als Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung.

  • 1954
  • 1955

    Juli: Promotion zum Dr. jur. in Göttingen mit einer Dissertation über Vereinsrecht mit dem Titel "Der faktische Verein".

  • 1958-1962

    Geschäftsleiter des Bankhauses Waldthausen & Co in Essen und Düsseldorf.

  • 1962-1966

    Geschäftsführender Gesellschafter des chemisch-pharmazeutischen Unternehmens C. H. Böhringer in Ingelheim am Rhein.

  • seit 1962

    Mitglied des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages.

  • 1964-1970

    Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages.

  • 1965

    Im Anschluss an die Bundestagswahlen 1965 schlägt der rheinland-pfälzische CDU-Fraktionsvorsitzende Helmut Kohl Weizsäcker als Kandidaten für einen Sitz im Bundestag vor. Weizsäcker lehnt die Kandidatur ab, da sich ein politisches Mandat nicht mit seiner Funktion als Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages vereinbaren lässt.

  • 1966-1984

    Auf Vorschlag von Helmut Kohl wird Weizsäcker Mitglied des Bundesvorstandes der CDU.

  • 1968

    November: Weizsäcker unterliegt im Wahlmänner-Gremium der CDU/CSU gegen Gerhard Schröder (1910-1989) bei der Bewerbung um die Kandidatur zur Bundespräsidentschaft.

  • 1968-1975

    Sitz und Stimme im Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen.

  • 1969-1981

    Mitglied des Deutschen Bundestages.

  • 1969-1984

    Mitglied der Synode und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.

  • 1971-1978

    Erarbeitung des neuen CDU-Grundsatzprogramms unter Weizsäckers Leitung.

  • 1972

    Während der Ratifizierungsdebatten über die Ostverträge hält Weizsäcker zwei viel beachtete Reden im Bundestag, die dazu beitragen, dass die CDU/CSU-Opposition durch Stimmenthaltung die Ratifizierung ermöglicht.

    Weizsäcker setzt sich vor allem für den Abschluss des Warschauer Vertrages ein.

  • 1973

    Mai: Kandidatur für den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Niederlage gegen Karl Carstens. Anschließend bis 1979 Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion.

    Weizsäcker nimmt an der ersten Reise einer Parlamentarierdelegation in die Sowjetunion teil. Angeführt wird die Gruppe von der Bundestagspräsidentin Annemarie Renger (SPD). Außerdem nehmen Herbert Wehner (SPD), Wolfgang Mischnik (1921-2002, FDP) und Richard Stücklen (1916-2002, CSU) teil.

  • 1974

    Mai: Weizsäcker kandidiert erfolglos gegen Walter Scheel (FDP) für das Amt des Bundespräsidenten.

  • 1979

    18. März: Weizsäcker tritt als Spitzenkandidat der CDU in West-Berlin an. Obwohl die CDU 44,4 Prozent der Stimmen erhält, scheitert der Versuch, Regierender Bürgermeister von Berlin zu werden am Fortbestand der Berliner sozial-liberalen Koalition.

  • 1979-1981

    Vizepräsident des Deutschen Bundestages.

  • 1981-1984

    Regierender Bürgermeister von West-Berlin. Weizsäcker steht zunächst einem CDU-Minderheitssenat vor, bis nach dem Regierungswechsel in Bonn 1982 auch in Berlin die Koalition mit der FDP möglich wird.

  • 1983

    September: Weizsäcker reist offiziell in die DDR. In Ost-Berlin wird er von Erich Honecker empfangen und spricht in seiner Eigenschaft als Ratsmitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland in der Wittenberger Stadtkirche.

    28. November: Auf Drängen des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß gibt Bundeskanzler Helmut Kohl die Kandidatur Weizsäckers für das Bundespräsidentenamt bekannt.

    Veröffentlichung der Schrift "Die deutsche Geschichte geht weiter".

  • 1984-1994

    Weizsäcker ist als Nachfolger von Karl Carstens der 6. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.

    Weizsäcker sieht nach eigenen Angaben seine Hauptaufgabe nicht in bloßen Repräsentationspflichten, sondern in der Begegnung mit Menschen; dabei sucht er besonders den Kontakt zur Jugend. Auch gegenüber Randgruppen der Gesellschaft oder harten Kritikern des Staates zeigt Weizsäcker keine Berührungsängste.

    Auf seinen Reisen kümmert sich Weizsäcker besonders um die Probleme der Entwicklungsländer; unter anderem ist er Schirmherr der Welthungerhilfe. Außerdem beschäftigt er sich mit der weltweiten Arbeitslosigkeit, dem Umweltschutz und der Unterbeschäftigung.

    Weizsäcker setzt sich für eine Aussöhnung mit dem Ostblock ein, regt Gespräche mit der DDR an und plädiert dafür die Reformprozesse in der von Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow geführten Sowjetunion ernstzunehmen.

  • 1985

    Februar: Staatsbesuche in Jordanien und Ägypten.

    März: Staatsbesuch in Finnland.

    8. Mai: In seiner Rede zum 40. Jahrestag der Kapitulation vom 8. Mai 1945 setzt Weizsäcker Zeichen für einen verantwortungsbewussten Umgang mit der NS-Vergangenheit. Die Rede findet im In- und Ausland große Beachtung und Anerkennung.

    Mai/Juni: Staatsbesuch in den Niederlanden.

    Oktober: Staatsbesuch in Israel. Verleihung der Ehrendoktorwürde des Weizmann-Instituts in Rehovot.

  • 1986

    Staatsbesuche führen ihn nach Birma, Bangladesch, Malaysia, Österreich, England und Norwegen.

    Auszeichnung mit dem Goldenen Sportabzeichen.

  • 1987

    Weizsäcker reist zu Staatsbesuchen nach Argentinien, Bolivien, Guatemala, in der Schweiz, nach Griechenland und in der UdSSR.

  • 1988

    Staatsbesuche in Mali, Nigeria, Simbabwe, Somalia, Italien, Schweden, Luxemburg und in Bulgarien.

    Auszeichnung mit der Ehrendoktorwürde der Universität Oxford.

    Veröffentlichung der Schrift "Die politische Kraft der Kultur".

  • 1989

    Januar: Weizsäcker gibt einen großen Empfang aus Anlass des 75. Geburtstags des SPD- Ehrenvorsitzenden und ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt und würdigt ihn als Menschen und Staatsmann von exemplarischem Format.

    23. Mai: Aufgrund seines hohen Ansehens und seiner Autorität ist Weizsäcker bei der Bundespräsidentenwahl einziger Kandidat und wird mit großer Mehrheit - er erhält 881 von 1022 gültigen Stimmen - wiedergewählt.

    Staatsbesuche führen ihn in diesem Jahr nach Spanien, Dänemark, in die USA und nach Marokko.

    November: Nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze und dem beginnenden politischen Wandel in Osteuropa mahnt Weizsäcker zur Behutsamkeit beim Zusammenwachsen von DDR und Bundesrepublik.

  • 1990

    Mai: Weizsäckers Staatsbesuch in Polen ist nach eigenen Aussagen die wichtigste Reise seiner Amtszeit. In einer Rede wirbt er dafür, dass "wir, Deutsche und Polen, in größeren Zeiträumen denken, die Zeichen der Zeit erkennen und sie zur Maxime unseres gemeinsamen Handelns machen".

    29. Juni: In seiner Rede anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerwürde von Gesamt-Berlin spricht sich Weizsäcker eindringlich für Berlin als Hauptstadt eines vereinten Deutschland aus.

    Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Stuttgart.

    3. Oktober: Beim Festakt zur Wiedervereinigung Deutschlands in Berlin prägt Weizsäcker die Worte "Sich zu vereinen, heißt teilen lernen".

    November: Gedenkbesuch in Coventry/England am 50. Jahrestag des deutschen Luftangriffs. Weitere Staatsbesuche führen Weizsäcker in die Tschechoslowakei, nach Portugal, Kanada und nach Malta.

  • 1991

    Dezember: Auszeichnung mit dem Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf. Mit dem Preisgeld unterstützt Weizsäcker Bürgerinitiativen in Leipzig, Berlin-Pankow und Duisburg, die sich um eine Verbesserung des Zusammenlebens von Ausländern und Deutschen bemühen.

    Weizsäcker reist als Bundespräsident nach Südkorea, Indien, Italien sowie in die Tschechische und Slowakische Föderative Republik.

  • 1992

    Juni: In einer Rede vor dem Bundesverband der deutschen Industrie räumt Weizsäcker Fehler der Politik bei der Finanzierung der deutschen Einheit ein und verlangt gleichzeitig eine Offenlegung der Kosten des Vereinigungsprozesses. In diesem Zusammenhang kritisiert er auch den Zustand der Parteien und wirft der "Politikerschicht" vor, sie erliege einer "Machtversessenheit in bezug auf Wahlkampferfolge".

    Politiker aller Parteien reagieren empört auf diesen "öffentlichen Tadel" des Bundespräsidenten.

    Staatsbesuche führen Weizsäcker in die USA, nach Tansania und nach Mexiko.

  • 1993

    März: Weizsäcker verkündet seinen Entschluss, ab dem Jahreswechsel 1993/94 den wesentlichen Teil der Amtsgeschäfte von der deutschen Hauptstadt Berlin aus zu führen.

    Staatsbesuche in Tunesien, in den USA, in Estland, Thailand, Neuseeland, Australien, Litauen, Lettland, Chile und Ecuador.

  • 1994

    Januar: Erster Neujahrsempfang im Berliner Amtssitz Schloss Bellevue. Juni: Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Cambridge. Seine letzten Staatsbesuche führen ihn in den Vatikan, nach Frankreich, England und Polen. Seine letzte Rede als Bundespräsident nutzt Weizsäcker um in deutlichen Worten zur Abwehr des Rechtsextremismus aufzurufen und die "Schändlichen Gewalttaten" gegen Ausländer anzuprangern. 30. Juni: Übergabe des Bundespräsidentenamtes an Roman Herzog. Juli: Nach dem Ausscheiden aus dem Amt des Bundespräsidenten übernimmt Weizsäcker den Vorsitz im Bergedorfer Gesprächskreis der Hamburger Körber-Stiftung und zum Herbst den Kuratoriumsvorsitz der Theodor-Heuss-Stiftung. November: Verleihung des Leo-Baeck-Preises durch den Zentralrat der Juden in Deutschland.

  • 1995

    März: Auszeichnung mit der Buber-Rosenzweig-Medaille des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

    Mai: Weizsäcker und der tschechische Präsident Vaclav Havel werden in Barcelona/Spanien mit dem internationalen Katalonienpreis geehrt.

    Juli: Die UNO veröffentlicht einen Bericht, der von einer zwölfköpfigen Arbeitsgruppe im Auftrag des Generalsekretärs Boutros Ghali zur Reform der Weltorganisation erstellt wurde. Darin spricht sich Weizsäcker als Kommissionsvorsitzender der Arbeitsgruppe unter anderem gegen einen ständigen Sitz der Bundesrepublik im Sicherheitsrat aus.

    Dezember: Weizsäcker wird von der Prager Karls-Universität mit dem Ehrendoktor der Rechtswissenschaften ausgezeichnet.

  • 1996

    Weizsäcker übernimmt im Sommersemester die Heinrich-Heine-Professur der Universität Düsseldorf. Sie umfasst vier öffentliche Vorlesungen zum Thema "Europäische Entspannungspolitik in Vergangenheit und Gegenwart".

    Oktober: Verleihung des Kunstpreises zur deutsch-tschechischen Verständigung in Dresden.

  • 1997

    April: Zusammen mit Lech Walesa und George Bush wird Weizsäcker zum Ehrenbürger der Stadt Gdansk (Danzig) ernannt.

    Juni: Weizsäcker hält die Laudatio für die Auszeichnung des früheren sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow mit dem "Preis für planetarisches Bewußtsein" vom "Club of Rome".

    Veröffentlichung seiner Erinnerungen unter dem Titel "Vier Zeiten".

  • 1998

    April: Auszeichnung mit dem erstmals verliehenen Humanismus-Preis des Deutschen Altphilologenverbandes in Heidelberg.

    Weizsäcker ruft zu mehr Sachlichkeit im Wahlkampf auf und nimmt Stellung zur Auseinandersetzung mit der PDS. Einerseits betont er, dass wichtige Führungsmitglieder der Partei positive Erklärungen zur Demokratie, zur Einheit und zum Markt abgegeben hätten. Andererseits kritisiert er, dass es immer noch an einer klaren Distanzierung zum SED-Unrecht fehle.

  • seit 2002

    Schirmherr der "Perspektive Deutschland", einer Online-Meinungsumfrage-Initiative.

    Mitglied des "Club of Rome".

  • 2003-2013

    Schirmherr der Aktion Deutschland Hilft e.V., dem Bündnis deutscher Hilfsorganisationen (ADH) für Katastrophenhilfe.

  • 2015

    31. Januar: Richard von Weizsäcker stirbt im Alter von 94 Jahren in Berlin.

 

(iz) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 23.06.2017
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Zündorf, Irmgard: Biografie Richard von Weizsäcker, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/richard-von-weizsaecker.html
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