In den 1970er Jahren ist das ökologische Bewusstsein der Bevölkerung noch wenig ausgeprägt. Nicht die Öffentlichkeit, sondern die Politik wendet sich zuerst diesem Thema zu. Die sozial-liberale Koalition unter Willy Brandt macht den Umweltschutz zum Bestandteil ihrer Reformpolitik. 1971 legt sie ein Umweltschutzprogramm vor, erlässt erste Gesetze und errichtet 1974 das Umweltbundesamt in West-Berlin.Aufgrund der wirtschaftlichen Rezession stagniert der Umweltschutz trotz wachsenden Bürgerengagements in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre. Der Einzug der Grünen in den Bundestag 1983 und die Gründung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 1986 sind Zeichen für einen erneuten Aufbruch und das gestiegene Umweltbewusstsein in den 1980er Jahren.

Die Zuständigkeit für den technischen Umweltschutz erhält 1969 das Bundesministerium des Innern, die Abteilung für Naturschutz bleibt jedoch beim Landwirtschaftsministerium. Aber erst durch die Ausdehnung der mit den Ländern konkurrierenden Gesetzgebung auf die Bereiche Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung 1972 wird die Umweltkompetenz des Bundes entscheidend gestärkt. Als erstes Umweltschutzgesetz tritt am 30. März 1971 das Fluglärmgesetz in Kraft. Am 18. Januar 1974 verabschiedet der Bundestag einstimmig das für die Luftreinhaltung maßgebliche Bundesimmissionsschutzgesetz. Weitere Gesetze, wie 1975 das Bundesnaturschutzgesetz, folgen, doch geraten die umweltpolitischen Reformbestrebungen angesichts der einsetzenden Wirtschaftskrise zusehends unter Druck.

In der Phase der umweltpolitischen Stagnation wächst der Protest zahlreicher Bürger, vor allem gegen den von der sozial-liberalen Koalition forcierten Ausbau der Kernenergie. Internationale Umweltorganisationen wie Greenpeace machen durch spektakuläre Aktionen auf die ökologischen Gefahren aufmerksam.In den 1980er Jahren rücken umweltpolitische Themen wie Waldsterben, saurer Regen und Ozonloch als globales Problem in den Mittelpunkt der politischen Diskussion. Insbesondere das Reaktorunglück von Tschernobyl am 26. April 1986 rüttelt Politik und Öffentlichkeit auf. Dies führt zur Gründung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit am 5. Juni 1986.

(ahw) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 05.05.2003
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Hinz-Wessels, Annette: Umwelt, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-krisenmanagement/bundesrepublik-im-umbruch/umwelt.html
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