"Angst. Eine deutsche Gefühlslage?"
Neue Ausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig

Viele Deutsche haben Angst - aktuell 56 Prozent vor einer Überforderung durch mehr Asylbewerber und Spannungen durch den Zuzug von Ausländern. Das besagt die repräsentative Studie einer deutschen Versicherungsgesellschaft aus dem Zeitraum Mai bis Juli 2019 über die "Ängste der Deutschen". Die Langzeitstudie ermöglicht auch Aussagen über Veränderungen in der Stimmungslage: So sank die Angst vor Terrorismus von 70 Prozent (2017) auf 44 Prozent (2019). Die neue Ausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig der Stiftung Haus der Geschichte spürt diesen Stimmungen nach und konzentriert sich dabei auf vier Themen - "Zuwanderung", "Atomkrieg", "Umweltzerstörung" und "Datenschutz". Sie fragt mit über 300 Exponaten nach kollektiven Ängsten der Deutschen in West und Ost, beleuchtet die Entstehung sowie Verbreitung im jeweiligen historischen und gesellschaftlichen Kontext. Auch die Rolle der Medien bei der Verbreitung von Angstgefühlen wird diskutiert.
Die Ausstellung ist vom 18. Oktober 2019 bis 10. Mai 2020 im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Zuwanderung
Hohe Flüchtlings- und Zuwanderungszahlen in Deutschland lösten bereits in der Vergangenheit mehrmals Angst und Unsicherheitsgefühle aus. Die Ausstellung setzt sich mit den Reaktionen auf die "Flüchtlingswelle" 2015 auseinander und zeigt, dass bereits die massive Steigerung der Flüchtlingszahlen Anfang der 1990er Jahre vergleichbare Empfindungen hervorgerufen hat, damals durch den Zustrom von Flüchtlingen aus dem Bürgerkriegsland Jugoslawien.
Die Ausstellung beleuchtet in diesem Kontext verschiedene Ängste, etwa die Sorge vor Überfremdung oder zunehmender Kriminalität. Politische und publizistische Debatten um die Reform des Asylrechts befeuerten die Auseinandersetzungen, Schlagworte wie "Das Boot ist voll" hielten Angstgefühle hoch und trugen zu einer Verschärfung des Meinungsklimas bei.

Atomkrieg
Während des Kalten Krieges erzeugten Pläne über die nukleare Aufrüstung Ängste vor einem in Deutschland ausgetragenen Atomkrieg. Die Ausstellung analysiert die Diskussionen in Politik und Gesellschaft im Zuge der Nachrüstungsdebatte 1979 bis 1983 und bei der potenziellen Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Sprengköpfen 1957/58. Beide Male mobilisierte die Furcht vor der nuklearen Bedrohung die Öffentlichkeit, wenngleich die Art und Weise, in der Teile der Bevölkerung ihrer Angst Ausdruck verliehen, sehr unterschiedlich waren. In der DDR war öffentlicher Protest gegen die Aufrüstung im Land untersagt. Initiativen Einzelner gegen die Stationierung sowjetischer Atomraketen wurden von der Staatssicherheit rasch unterbunden.

Umweltzerstörung
Anfang der 1980er Jahre versetzte die Vorstellung eines großflächigen Waldsterbens die Öffentlichkeit in Panik. Die Ausstellung geht den mannigfaltigen "Rettungsmaßnahmen" nach und fragt nach den langfristigen Wirkungen. In der DDR gab es das Waldsterben offiziell nicht. Wer das Gegenteil behauptete, musste mit Repressionen rechnen.
Eine zweite "Welle der Angst" löste die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl 1986 aus. Die über Deutschland hinweg ziehende Nuklearwolke verursachte in Teilen der Bevölkerung Angst vor einer Kontaminierung von Menschen, Böden und Lebensmitteln, die durch eine chaotische Informationspolitik der Behörden noch verstärkt wurde.

Datenschutz
Die Ausstellung beschäftigt sich auch mit der Angst vor einem "Ausspähen" der Privatsphäre. Im Osten Deutschlands überwachte die Staatssicherheit die Bevölkerung flächendeckend. Vor dem Hintergrund bereits vorhandener Computerängste weckten die Volkszählung 1983 und Pläne für eine computergestützte Erfassung persönlicher Daten auch im Westen Besorgnisse vor einem "Überwachungsstaat". Die Ausstellung verdeutlicht, wie sich als Folge das Recht auf informationelle Selbstbestimmung etablierte und wie die Angst vor Datensammlungen im Rahmen des Internets erneut befeuert wird.

Pressevorbesichtigung: 17.10.2019, 10.00 Uhr
Pressegespräch: 17.10.2019, 11.00 Uhr
Eröffnung: 17.10.2019, 19.00 Uhr, mit Prof. Dr. Joachim Bauer, Neurowissenschaftler und Arzt

Ausstellung "Angst. Eine deutsche Gefühlslage?"
(18.10.2019 - 10.5.2020)
Öffnungszeiten: Di-Fr, 9-18 Uhr, Sa/S

Medienanfragen richten Sie bitte an
Pressereferent
Leipzig
Dr. Daniel Kosthorst

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Kommentar aus den USA
Titel der "Time"  vom 24. August 1981 zur Debatte um den NATO-Doppelbeschluss
TIME/ Stiftung Haus der Geschichte/Axel Thünker
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Protest
Buttons aus den frühen 1980er Jahren auf der Jacke eines Aktivisten
Foto: Stiftung Haus der Geschichte/Axel Thünker
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Verstrahlt?
Viele Menschen verzichten nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 auf Frischmilch. Hersteller werben mit behördlicher Kontrolle.
Foto: Stiftung Haus der Geschichte/Axel Thünker
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Volkszählung
Eine aufwändige Imagekampagne soll 1987 die Notwendigkeit einer Volkszählung verdeutlichen.
Foto: Stiftung Haus der Geschichte/Axel Thünker
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"Flüchtlingswelle"
Motivwagen des Künstlers Jacques Tilly beim Rosenmontagszug 2016 in Düsseldorf
Jacques Tilly; Foto: Stiftung Haus der Geschichte/Axel Thünker
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Waldsterben
Das Brettspiel "Sauerbaum" erscheint 1987 und bekommt einen Sonderpreis im Wettbewerb "Spiel des Jahres". Es will den Blick schärfen für den bedrohten Wald.
Foto: Stiftung Haus der Geschichte/Axel Thünker
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Plakat zur Ausstellung
IGLHAUT und von GROTE GmbH, Berlin
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