Jahreschronik 1973

JANUAR
  • 01.01.

    Durch den Beitritt Dänemarks, Großbritanniens und Irlands wird die Europäische Gemeinschaft (EG) zur "Gemeinschaft der Neun" erweitert.

  • 05.01. - 09.02.

    Weitere 17 Staaten, darunter auch Frankreich und Großbritannien nehmen diplomatische Beziehungen zur DDR auf.

  • 08.01.

    Das 1. Programm der ARD sowie das 3. Programm der Sender NDR, BR und SFB beginnen mit der Ausstrahlung der amerikanischen Vorschul- und Kinderserie "Sesamstraße" in deutscher Sprache.

  • 15.01.

    Auf Anordnung von US-Präsident Richard M. Nixon (1913-1994) stellen die Vereinigten Staaten die Kriegshandlungen gegen Nord-Vietnam vollständig ein. Das Deutsche Fernsehen strahlt den Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" von Rosa von Praunheim (geb. 1942) aus. Noch ein Jahr zuvor war der umstrittene Film kurzfristig aus dem Programm genommen worden.

  • 20.01.

    Richard M. Nixon wird in Washington für eine zweite Amtsperiode als Präsident der USA vereidigt.

  • 27.01.

    Vertreter der USA, der Demokratischen Republik Vietnam (Nordvietnam), der Provisorischen Revolutionsregierung Südvietnams und der Republik Vietnam (Südvietnam) unterzeichnen in Paris einen Waffenstillstandsvertrag.

  • 29.01.

    In der Bundesrepublik werden in die Ausbildung der Bundeswehrsoldaten künftig stärker Themen der politischen Bildung einbezogen.

FEBRUAR
  • 02.02.

    Die DDR schließt sich der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen an. Die Vereinbarung regelt die durch das Völkerrecht gewährte Befugnis, Gesandte zu entsenden und zu empfangen.

  • 03.02.

    Das "Aktuelle Sportstudio" im ZDF wird erstmals von einer Frau moderiert. Die Journalistin Carmen Thomas (geb. 1946) dringt damit in ein bislang von Männern besetztes Fernsehressort vor.

  • 12.02.

    Nachdem die Deutsche Bundesbank innerhalb weniger Tage rund 5,8 Milliarden Dollar zur Stützung der US-Währung aufgenommen hat, lässt die Bundesregierung die Devisenmärkte schließen. Als erste deutsche Bank eröffnet die Dresdner Bank eine Filiale in Moskau.

  • 20.02.

    Die UdSSR und die DDR schließen erstmals ein zeitlich unbefristetes Rahmenabkommen über Erdöllieferungen der Sowjetunion an die DDR ab.

  • 26.02.

    Der erste Senat des Berliner Kammergerichtes verurteilt den Juristen Horst Mahler wegen Teilnahme an schweren Raubüberfällen sowie der Gründung einer kriminellen Vereinigung, der sogenannten Rote Armee Fraktion (RAF), zu zwölf Jahren Freiheitsentzug.

MÄRZ
  • 01.03.

    Der DDR-Ministerrat erlässt eine Verordnung über die Tätigkeit von Pressekorrespondenten aus anderen Staaten in der DDR. In der Folge werden die Korrespondenten von ARD und ZDF sowie von Zeitungen und Zeitschriften aus der Bundesrepublik in der DDR akkreditiert.

  • 02.03.

    Basierend auf den Bestimmungen des Grundlagenvertrages unterzeichnet die DDR zahlreiche internationale Konventionen. Darunter sind unter anderem die Konvention zur Verhütung des Völkermordes und die Konvention zur Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung.

  • 28.03.

    Anlässlich der beabsichtigten Räumung eines besetzten Hauses in Frankfurt/Main kommt es zwischen der Polizei und Hausbesetzern zu schweren Straßenschlachten in der Innenstadt.

  • 29.03.

    Die letzten US-amerikanischen Truppen ziehen aus Vietnam ab.

APRIL
  • 08.04.

    Auf der 3. Freien Kunstausstellung in den Messehallen am Funkturm in West-Berlin dürfen neben Berufskünstlern erstmalig Laien je ein Bild nach eigener Wahl ausstellen. Der Maler und Bildhauer Pablo Picasso stirbt in Mougins (bei Cannes).

  • 10.04.

    Ein Druckerstreik in der Bundesrepublik verhindert das Erscheinen beinahe aller Tageszeitungen. Der von der IG Druck und Papier organisierte Arbeitskampf soll den Setzern und Druckern eine Lohnerhöhung um mindestens 13 Prozent einbringen.

  • 29.04.

    Der DEFA-Film "Die Legende von Paul und Paula" nach dem Roman von Ulrich Plenzdorf läuft in der DDR an. Der Erfolgsfilm ist eine Moritat über individuelle Glücksansprüche.

MAI
  • 01.05.

    In Dortmund wird die "Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen" (ZVS) eingerichtet.

  • 02.05.

    Der Bundestag verabschiedet das Bundeswaldgesetz. Aufgrund des wirtschaftlichen Nutzens, der Bedeutung für die Umwelt und der Erholungsfunktion des Waldes wird er unter besonderen staatlichen Schutz gestellt.

  • 08.05. - 29.06.

    Um eine Lockerung der Haftbedingungen zu erreichen, treten inhaftierte RAF-Mitglieder in der Bundesrepublik in einen Hungerstreik.

  • 09.05.

    Premiere des Theaterstückes "Die neuen Leiden des jungen W." von Ulrich Plenzdorf nach Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) "Die Leiden des jungen Werthers" in West-Berlin.

  • 11.05.

    Nach heftigen Debatten verabschiedet der Bundestag den Grundlagenvertrag mit der DDR und das Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Vereinten Nationen.

  • 12.05.

    In einem Kommuniqué betonen die DDR und die UdSSR ihr Festhalten am im Viermächteabkommen geregelten Status von West-Berlin, wonach "West-Berlin nicht zur Bundesrepublik Deutschland gehört und auch künftig nicht von ihr regiert wird".

  • 14.05.

    In der DDR werden verschiedene sozialpolitische Maßnahmen wie die Frauen- und Übergangsrente beschlossen.

  • 18. - 22.05.

    Der sowjetische Parteichef I. Breschnew (1906-1982) besucht die Bundesrepublik Deutschland. Es ist der erste offizielle Besuch des sowjetischen Staatsmannes in der Bundesrepublik.

  • 22.05.

    Bayern beantragt beim Bundesverfassungsgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Grundlagenvertrag mit der DDR. Begründet wird der Antrag damit, dass der Vertrag das "Wiedervereinigungsgebot" und das "Gebot zur Wahrung der staatlichen Einheit" verletze. Der Antrag wird am 3. Juni vom zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichtes abgelehnt.

JUNI
  • 01.06.

    Der frühere CDU-Abgeordnete Julius Steiner (1924-1997) erklärt, beim Misstrauensvotum 1972 für Willy Brandt gestimmt zu haben. Daraufhin wird ein Untersuchungsausschuss des Bundestags eingesetzt, der klären soll, ob Korruption im Spiel war. Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) erhöht die Rohölpreise um 11,9 Prozent.

  • 07.06.

    Bundeskanzler Willy Brandt trifft zu einem bis zum 11. Juni andauernden Staatsbesuch in Israel ein. Er ist der erste deutsche Bundeskanzler, der Israel einen offiziellen Besuch abstattet.

  • 12.06.

    Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl, wird als Nachfolger des zurückgetretenenRainer Barzel neuer CDU-Bundesvorsitzender.

  • 14.06.

    Der Bundestag verabschiedet eine Novelle zum Ausbildungsförderungsgesetz. Künftig werden Berufsfachschüler ab der 11. Klasse und ausländische Auszubildende in die Förderung miteingeschlossen.

  • 15.06.

    In Expertengesprächen zwischen der Bundesrepublik und der DDR wird in Anlehnung an den Grundlagenvertrag vereinbart, ab dem 5. Juli an allen Grenzübergängen, mit Ausnahme der Autobahnen, einen Pendelverkehr einzurichten. Ferner sollen drei Zugverbindungen über Helmstedt, Ludwigsstadt und Hof angelegt werden.

  • 18. - 25.06.

    Der KPdSU-Generalsekretär Breschnew besucht die USA: Dabei wird am 22. Juni das "Amerikanisch-Sowjetische Abkommen zur Verhinderung eines Atomkrieges" unterzeichnet, das beide Staaten bei Kriegsgefahr zu gegenseitigen Konsultationen verpflichtet.

  • 30.06.

    Das restaurierte Reichstagsgebäude in West-Berlin wird an den Deutschen Bundestag übergeben. In den USA wird die Wehrpflicht aufgehoben. Gleichzeitig plant das Verteidigungsministerium den Aufbau einer Berufsarmee.

JULI
  • 01.07.

    In der Bundesrepublik wird der zivile Ersatzdienst dem Wehrdienst gesetzlich gleichgestellt.

  • 03. - 08.07.

    Eröffnungssitzung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki auf Außenministerebene.

  • 05.07.

    Die Bundesrepublik und China schließen in Bonn ein Handelsabkommen.

  • 09.07.

    Heinrich Böll, Günter Grass und zahlreiche bundesdeutsche Wissenschaftler protestieren öffentlich gegen Repressionen, denen Schriftsteller und Wissenschaftler in der Sowjetunion ausgesetzt sind.

  • 31.07.

    Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheidet, dass der zwischen der Bundesrepublik und der DDR geschlossene Grundlagenvertrag mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

AUGUST
  • 01.08.

    Der frühere Staats- und Parteichef der DDR, Walter Ulbricht, stirbt im Alter von 80 Jahren in Ost-Berlin.

  • 30.08.

    Im ZDF wird die erste Folge der Serie "Rappelkiste" ausgestrahlt, die sich an Kinder im Vorschulalter wendet.

SEPTEMBER
  • 01.09.

    Die zur Bekämpfung schwerster Gewaltstraftaten aufgestellte Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes, die Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9), ist einsatzbereit.

  • 08.09.

    Der sowjetische Physiker Andrej D. Sacharow (1921-1989) kritisiert auf einer improvisierten Pressekonferenz mit ausländischen Journalisten die politische Unterdrückung in der UdSSR. In diesem Zusammenhang warnt er unter anderem den Westen vor Naivität in der Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion.

  • 11.09.

    In Chile nimmt sich Präsident Salvador Allende (geb. 1908) das Leben, als das putschende Militär den Präsidentenpalast erstürmt. Damit endet der Versuch, in dem lateinamerikanischen Staat ein System des demokratischen Sozialismus durchzusetzen.

  • 18.09.

    Die Bundesrepublik Deutschland und die DDR werden in die Vereinten Nationen (UNO) aufgenommen. Der Verwaltungsrat der London School of Economics beruft den Wissenschaftler Ralf Dahrendorf (1929-2009) als ersten Ausländer zum Direktor.

  • 25.09.

    Die USA und die Sowjetunion beginnen in Genf die SALT-II-Verhandlungen (Strategic Arms Limitation Talks).

  • 26.09.

    Willy Brandt spricht als erster deutscher Bundeskanzler vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York. Die Bundesregierung verabschiedet ein Energieprogramm, um die Abhängigkeit der Bundesrepublik vom Erdöl zu mindern.

OKTOBER
  • 01.10.

    Beginn der Erdgas-Lieferungen aus der Sowjetunion in die Bundesrepublik. Die Bundeswehr-Hochschulen in München und Hamburg nehmen ihren Lehrbetrieb auf.

  • 03.10.

    Die Volkskammer der DDR wählt Willi Stoph zum Vorsitzenden des Staatsrates und Horst Sindermann (1915-1990) zum Vorsitzenden des Ministerrates.

  • 06.10.

    Die Angriffe ägyptischer und syrischer Streitkräfte auf Israel lösen den "Jom-Kippur-Krieg" (Vierter Israelisch-Arabischer-Krieg) aus, der bis zum 25. Oktober anhält. Der bewaffnete Kampf der arabischen Länder hat das Ziel, den Staat Israel zu zerstören.

  • 17.10.

    Erste Anzeichen einer weltweiten lkrise: Erdölexportierende arabische Staaten erhöhen die Rohölpreise um 17 Prozent, um Druck gegen die israelfreundliche Politik der westlichen Staaten auszuüben. Die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann stirbt in Rom an den Folgen schwerer Brandverletzungen.

  • 19.10.

    Die arabischen erdölexportierenden Länder (OAPEC) erlassen ein Ölembargo gegen Staaten mit einer israelfreundlichen Haltung. Danach werden die USA und die Niederlande nicht mehr, andere westliche Länder wie die Bundesrepublik nur noch mit 75 Prozent der bisherigen Menge Rohöl beliefert.

  • 24.10.

    Im Achtelfinale des Europapokals der Landesmeister trifft erstmals eine bundesdeutsche Fußballmannschaft auf ein DDR-Team. Bayern München gewinnt im heimischen Olympiastadion gegen Dynamo Dresden 4:3.

  • 30.10.

    Zwölf NATO-Staaten, ohne Frankreich und Island, und sieben Länder des Warschauer Paktes nehmen in Wien die Gespräche zur beiderseitigen ausgewogenen Truppenreduzierung (Mutual Balanced Force Reductions/ MBFR) auf. Im Zusammenhang mit der "Watergate-Affäre" beginnt ein Verfahren zur Amtsenthebung von US-Präsident Richard Nixon. Im Juni 1972 wurde im Washingtoner Watergate-Hotel, dem Wahlkampfquartier der Demokraten, eingebrochen. Die Verbindung zwischen den Einbrechern und dem "Komitee zur Wiederwahl des Präsidenten" führte zu einer erheblichen Belastung engster Mitarbeiter Nixons und schließlich des Präsidenten selbst.

NOVEMBER
  • 05.11.

    Die DDR verdoppelt den Mindestumtausch-Satz für Besucher Ost-Berlins auf zehn D-Mark und der übrigen DDR auf 20 D-Mark täglich. Die arabischen erdölexportierenden Länder (OAPEC) beschließen, ihre Ölförderungen um 25 Prozent einzuschränken, bis die von Israel 1967 besetzten Gebiete befreit und die Rechte des palästinensischen Volkes wiederhergestellt sind.

  • 09.11.

    Das Energiesicherungsgesetz soll die Energieversorgung der Bundesrepublik gewährleisten.

  • 14.11.

    Gustav Heinemann gibt bekannt, dass er aus Altersgründen auf eine zweite Amtsperiode als Bundespräsident verzichtet.

  • 15. - 18.11.

    In West-Berlin findet das erste internationale "Frauenfilm-Seminar" statt. Dabei werden "Dokumentar- und Zielgruppenfilme zur Situation der Frau" aus sechs Ländern gezeigt.

  • 23.11.

    Die Bundesrepublik verhängt einen Anwerbestopp für Gastarbeiter, die nicht aus den EG-Ländern kommen. Begründet wird die Entscheidung mit den "Beschäftigungskrisen im Zusammenhang mit der Ölkrise".

  • 25.11.

    Im Zuge des Energiesicherungsgesetzes tritt eine Verordnung über Fahrverbote an Sonntagen und über Geschwindigkeitsbegrenzungen in Kraft.

  • 26. - 28.11.

    Auf der in Algier stattfindenden 6. Arabischen Gipfelkonferenz wird erklärt, dass die Einstellung des offenen Kampfes im sogenannten Jom-Kippur-Krieg kein Ende des Kampfes gegen Israel darstelle. Als unabdingbare Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden bezeichnen die arabischen Staaten den vollständigen Rückzug Israels aus den 1967 besetzten Gebieten und die Wiederherstellung der nationalen Rechte der Palästinenser. Als Druckmittel zur Durchsetzung der Forderungen wird weiterhin die "Ölwaffe", also die Reduzierung der Öllieferungen nach Europa und in die USA, genannt.

  • 27.11.

    In der Bundesrepublik werden mit dem vierten Gesetz zur Reform des Strafrechts erstmals in der deutschen Rechtsgeschichte Schriften und andere Darstellungen zur Verherrlichung von Gewalt und zur Anstiftung des Rassenhasses einem Herstellungs- und Vertreibungsverbot unterworfen.

DEZEMBER
  • 07.12.

    Der Film "Gelegenheitsarbeit einer Sklavin" von Alexander Kluge läuft in der Bundesrepublik an. Der Film beurteilt die Stellung der Frau in der Familie als Sklavenrolle.

  • 10.12.

    In Oslo findet die Übergabezeremonie für den Friedensnobelpreis ohne die beiden Preisträger statt. Der US-amerikanische Außenminister Henry A. Kissinger (geb. 1923) und der Nordvietnamese Le Duc Tho (1911-1990) erhalten den Preis für die Friedensvereinbarungen über Vietnam. Kissinger lässt sich wegen internationaler Verpflichtungen entschuldigen, und Le Duc Tho lehnt die Annahme des Preisgeldes bis zur "Verwirklichung eines echten Friedens" ab.

  • 11.12.

    Unterzeichnung des Prager Vertrags über die Normalisierung der wechselseitigen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Tschechoslowakei. Das Münchner Abkommen vom 29. September 1938 wird durch den Vertrag annulliert.

  • 14.12.

    Die FDP nominiert Walter Scheel als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten.

(iz) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 19.02.2016
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Zündorf, Irmgard: Jahreschronik 1973, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/jahreschronik/1973.html
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