Auffallen und präsent sein ist im Wahljahr 2009 für bundesdeutschen Politiker wieder wichtiges Ziel ihrer medialen Inszenierung. Der Kampf um die politische Macht mit Hilfe von emotionalen Bildstrategien erweist sich jedoch selbst für Polit-Medienstars zuweilen als heikel. Von der Dominanz der Bilder in Wahlkämpfen und im politischen Alltag – ob als Pressefoto, auf Plakaten oder im Fernsehen – berichtet ab 13. Juni eine neue Ausstellung in der U-Bahn-Galerie des Hauses der Geschichte in Bonn.
Der politische Alltag gerät zunehmend zum Dauerwahlkampf: Ob Gerhard Schröder in Siegerpose vom Podium strahlt oder Helmut Kohl sich ganz privat im Urlaub fotografieren lässt – suggestive, emotionale Bilder als Mittel der politischen Kommunikation zu nutzen erweist sich in einer Mediendemokratie als überlebenswichtig. In ausgewählten Fotografien aus den Beständen des Presse- und Informationsamtes und der dpa zeigt die Ausstellung „Auf die Bilder kommt es an!” schlaglichtartig die Entwicklung der bildlichen Inszenierung von Politik in Deutschland seit 1945.
Im Zeitalter der visuellen Massenkommunikation ist die Vermittlung politischer Inhalte durch einen personalisierten Wahlkampf seit Anfang der 1950er Jahre immer weiter verstärkt worden. Die großen Parteien beherzigen dies in ihren zunehmend personalisierten Kampagnen schon früh, allen voran die CDU. Bereits 1953 wirbt sie mit ihrem Spitzenkandidaten Konrad Adenauer als Garant für Wiederaufbau und Westintegration mit emotionalisierenden Bildern.
Meinungsforscher und Werbeagenturen planen und begleiten im Auftrag der Partei schon bald die Wahlkämpfe auf Basis von wissenschaftlichen Umfragen. Mit professioneller Hilfe startet die SPD 1961 nach dem Vorbild des Wahlkampfs von John F. Kennedy eine umfassende Imagewerbung für Willy Brandt. Er wird zur Symbolfigur für das moderne Deutschland stilisiert.
Seit den 1960er Jahren prägt vor allem das Fernsehen als Leitmedium die öffentliche Meinung. Gerade Fernsehdebatten bieten eine gute Gelegenheit, das positive Image der eigenen Spitzenkandidaten zu festigen und das der Gegner zu diskreditieren.
Besonders hohe Einschaltquoten verzeichnet zwischen 1969 und 1987 die „Elefantenrunde”: Eine Fernsehdiskussion der Parteivorsitzenden kurz vor der Wahl und seit 2002 die Fernsehduelle der beiden Kanzlerkandidaten.
Auf der anderen Seite macht es die Mediendemokratie Politikern schwer, sich zu behaupten. Es wird immer wichtiger, die eigene Person öffentlich zu positionieren und den Sympathiewert zu steigern. Um trotz der immer größeren Flut von Bildern Aufmerksamkeit zu erzielen, verleihen Politiker ihren Selbstinszenierungen zunehmend Eventcharakter, etwa wenn sich Norbert Blüm mit geliehenem Tonsurkäppchen unter die versammelten Bischöfe begibt oder wenn Renate Künast öffentlich eine Apfel konsumierend beweist, dass sie den richtigen Biss hat. Staatsmännisches und Weltbürgerliches gehören zum Repertoire, aber auch Originalität oder Volkstümlichkeit sollen als Alleinstellungsmerkmale dienen. Sachpolitik hingegen tritt hinter Handlungen und Zeichen, die öffentliche Aufmerksamkeit garantieren sollen, zurück.
Die Fotografie wird zur eindringlichen Momentaufnahme oder aber auch ungewollt zur Karikatur. Die Inszenierung geschieht für den Augenblick der Aufnahme, das eingefangene Bild bleibt statisch für die Betrachtung zurück. Verlangsamt, abseits des medialen Bildergewitters genauer betrachtet werden Mehrdeutigkeiten und unbeabsichtigte Details sichtbar, müssen sich Darsteller und Bühnenbild der kritischeren Wahrnehmung des Betrachters aussetzen. Dazu bietet die Ausstellung in der U-Bahn-Galerie Gelegenheit – und eine Vorbereitung auf die kommenden Attraktionen im Wahlkampf, wenn es wieder heißen wird „Auf die Bilder kommt es an!”.
Im Vorfeld des Wahljahres 2009 bietet die Ausstellung darüber hinaus die Möglichkeit zu hinterfragen, welche Werbung den Wähler heute noch anspricht und wie er sich, unabhängig von den in den Medien verbreiteten Bilder der Politiker eine politische Meinung bilden kann.