Als Elvis nach Deutschland kommt, besitzen wir längst seine Schallplatten, tanzen nach seiner Musik.
Der 1. Oktober 1958 wird darüber hinaus ein wichtiger Tag für die Bundesrepublik Deutschland. Er markiert auf vielfältige Weise einen Einschnitt in die Geschichte der noch jungen Demokratie, denn der "King of Rock ’n’ Roll" ist ein viel bedeutenderer Botschafter der Vereinigten Staaten als alle in Deutschland akkreditierten Mitglieder des amerikanischen Außenamts zusammen. Im Unterschied zu diesen beschreibt der Weltstar mit seiner Musik das Lebensgefühl der jungen Generation. Dass er als gewöhnlicher Soldat, als G.I., in Deutschland stationiert ist, umgibt das deutsch-amerikanische Bündnis im internationalen Vergleich mit einer Aura der Erhabenheit. Es ist gewiss keine Übertreibung, wenn man rückschauend bilanziert, dass Elvis’ Dienstzeit in Hessen mehr als nur ein kultureller Meilenstein auf dem langen Weg der Bundesrepublik Deutschland nach Westen gewesen ist.
Für die Jugendlichen stehen Ende der 1950er Jahre allerdings ganz andere Aspekte im Vordergrund. Es geht ihnen ganz einfach um gute Musik - und wohl auch um ein gutes Stück Provokation und Abgrenzung von der älteren Generation. Der Rock ’n’ Roll ist die ideale Musik, um jugendliches Aufbegehren zu transportieren. Dies um so mehr, da seine deutlichen sexuellen Anspielungen für die jungen Deutschen einer Befreiung aus der Prüderie der Nachkriegsjahre gleichkommt. Mit seinem Hüftschwung versetzt Elvis Deutschland in Aufregung.
Bis in die rheinland-pfälzische Provinz sind diese Schwingungen zu spüren. Eine Elvis-Single ist meine zweite Schallplatte gewesen. Erwartungsgemäß erweist sie sich rasch als familiäres Streitobjekt. Die Wellen schlagen hoch, obwohl ich den damals weit verbreiteten Vorwurf gegen den Rock ’n’ Roll als "Negermusik" mit dem unwiderlegbaren Hinweis auf die Hautfarbe von Elvis leicht entkräften kann, was jedoch meine älteren Kontrahenten nur noch mehr aufstachelt.
Wie dem auch sei. Die Geschichte von Elvis Presley in Deutschland weist viele Facetten auf, die es wert sind, in einer Ausstellung behandelt zu werden. Dass der großartige Sänger aus Tupelo, Mississippi, am 8. Januar 2005 seinen 70. Geburtstag gefeiert hätte, ist für diejenigen, die seinen kometenhaften Aufstieg verfolgt und begleitet haben, nur schwer zu begreifen. Dass allerdings seine Musik auch noch in 100 Jahren Menschen bewegen wird, ist ganz unzweifelhaft.