Vergangene Ausstellung
23.04.1999 bis 22.08.1999

Künstliche Versuchung

Nylon - Perlon - Dederon

Mit Nylon und Perlon verbinden sich Träume von Schönheit und Erotik, Fortschritt und Wohlstand, aber auch von Macht und Politik. Die Erfindung dieser Synthesefaser in den USA und Deutschland macht es erstmals möglich, Kleidung aus künstlichen Materialien herzustellen. Die Fasern aus der Retorte werden auch in Deutschland auch zu einem Massenprodukt, schreiben Wirtschafts- und Kulturgeschichte.

Nylon, Perlon und Dederon, das ostdeutsche Perlon mit dem offiziellen Kürzel der DDR im Namen, bilden einen "roten Faden" durch sechs Jahrzehnte deutsche Zeit- und Kulturgeschichte. Die Ausstellung "Künstliche Versuchung - Nylon, Perlon, Dederon 1939 bis 1999" wird im Frühjahr 1999, 60 Jahre nach Beginn der Perlonproduktion in Deutschland, im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn eröffnet.

Schwerpunkte
In den dreißiger Jahren werden in den USA und in Deutschland Polyamide erfunden und unter dem Namen "Nylon" bzw. "Perlon" produziert. Der amerikanische Chemiekonzern DuPont, der das neue Produkt 1939 auf der New Yorker Weltausstellung vorstellt, verspricht die Erfüllung des alten Menschheitstraums, unabhängig von der Natur in ausreichender Menge Kleidung herstellen zu können. Die schönen, neuen Nylonstrümpfe werden in den USA mit Begeisterung gekauft. Im nationalsozialistischen Deutschland dient Perlon der Autarkiepolitik und Kriegsführung.

Mit dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft 1945 ist der Untergang des Perlon- Produzenten IG-Farben verbunden. Die Siegermächte lösen den Konzern auf. Führende Funktionäre der IG-Farben müssen sich vor einem amerikanischen Militärgericht in Nürnberg verantworten.

Perlon-Fabriken werden demontiert. Nylon-Strümpfe aus den USA beginnen ihren Siegeszug und werden auf dem Schwarzmarkt zur Ersatzwährung. In den fünfziger und sechziger Jahren erleben Produktion und Absatz von Nylon und Perlon in Westdeutschland enorme Steigerungsraten. Modische Kleidung aus preiswerten Synthesefasern - Strümpfe, Damenoberbekleidung, Hemden und Miederwaren - wird für breite Bevölkerungsgruppen erschwinglich und zu einem wichtigen Teil der Lebenswelt. Modeschauen, Zeitschriften und Mißwahlen zeugen von einer Modebegeisterung. Nylon und Perlon werden zum Mythos und Kennzeichen einer Epoche.

Die Teilung Deutschlands hat auch Auswirkungen auf die Perlon - Produktion. In Ostdeutschland werden Perlon-Fabriken zu "Volkseigenen Betrieben". Die DDR trennt sich 1959 vom gesamtdeutschen Markennamen Perlon und gibt der Faser den Namen DeDeRon. Film, Literatur, Bildende Kunst und Theater feiern den Retortenstoff als Beleg für die Überlegenheit des Sozialismus über den Kapitalismus. Doch die Propaganda kann die Unfähigkeit des planwirtschaftlichen Systems, bedarfsgerecht zu produzieren, nicht verdecken.

Stagnation und Rückgang kennzeichnen die Produktion von Nylon und Perlon seit den siebziger Jahren. Vor allem der weltwirtschaftliche Strukturwandel und ein neues Umweltbewußtsein stellen Deutschland vor neue Herausforderungen.

Das Begleitbuch zur Ausstellung ist im Wienand Verlag erschienen.