Schon in seiner Regierungserklärung 1969 zeigt Brandt seine Bereitschaft, die staatliche Existenz der DDR anzuerkennen. Der bisher von allen Bundesregierungen vertretene Alleinvertretungsanspruch und die Hallsteindoktrin sollen aufgegeben werden. In der Hoffnung, nun ihre völkerrechtliche Anerkennung durch die Bundesrepublik Deutschland zu erlangen, stimmt die DDR deshalb einem deutsch-deutschen Gipfeltreffen zu. Nach einem Briefwechsel und schwierigen Vorverhandlungen kommt es im Frühjahr 1970 erstmals zur Begegnung der Regierungschefs der beiden deutschen Staaten.

Das erste Treffen zwischen Bundeskanzler Willy Brandt und dem Vorsitzenden des Ministerrates Willi Stoph findet am 19. März 1970 in Erfurt statt. Auf dem Weg vom Bahnhof zum Hotel jubeln viele Menschen Brandt begeistert zu und durchbrechen die Absperrungen der Polizei. In den Verhandlungen fordert Stoph die sofortige Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Ost-Berlin und Bonn. Brandt, dem es vor allem um mehr Freizügigkeit für die Menschen geht, stimmt lediglich einer Gleichberechtigung der DDR zu. Konkrete Ergebnisse bleiben deshalb aus.

Am 21. Mai 1970 reist Stoph dann zum Gegenbesuch nach Kassel. Das Treffen wird überschattet von Demonstrationen links- und rechtsradikaler Gruppen. Wie schon in Erfurt kommt es wegen der gegensätzlichen Positionen von Bundesrepublik und DDR nicht zu echten Verhandlungen. Außerdem wollen beide Seiten zunächst das Ergebnis der Gespräche zwischen Bonn und Moskau abwarten, die seit Dezember 1969 geführt werden. Die DDR schlägt daher zunächst eine Denkpause vor.

(ag) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 19.09.2014
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Grau, Andreas: Deutsch-deutsche Gespräche, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-modernisierung/neue-ostpolitik/deutsch-deutsche-gespraeche.html
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