In der vorübergehenden Phase der Liberalisierung nach dem VI. Parteitag (Januar 1963) entstehen kritische Filme über das Leben in der DDR. Sie werden zunächst von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) gefördert, sind ihr aber bald ein Dorn im Auge. Das 11. Plenum des Zentralkomitees im Dezember 1965 übt scharfe Kritik an der Filmproduktion. Kurt Maetzigs Film "Das Kaninchen bin ich" und andere Filme werden verboten. Bei der öffentlichen Uraufführung von Frank Beyers "Spur der Steine" 1966 inszeniert die SED Kinoproteste und erzwingt die Absetzung des Films. Wie viele andere Filme verschwindet er in der Schublade und darf erst nach 1989 wieder aufgeführt werden.

Die Filmemacher der DDR nutzen die Liberalisierung der Kulturpolitik für eine offenere Auseinandersetzung mit den Mängeln der DDR-Gesellschaft. Filme wie "Berlin um die Ecke" von Gerhard Klein oder Frank Vogels "Denk' bloß nicht, ich heule" über einen 18-jährigen Oberschüler, der von der Schule gewiesen wird, nähern sich behutsam der Wirklichkeit und versuchen, die Toleranzschwelle des Regimes zu testen. Das 11. Plenum des Zentralkomitees der SED Ende 1965 beendet den kulturpolitischen Frühling. In einer prinzipiellen Kritik am DEFA-Film werden dessen schädliche ideologische Tendenzen angeprangert und viele kritische Filme verboten.

Verantwortliche Kulturfunktionäre werden entlassen und gegen missliebige Regisseure Disziplinarverfahren eingeleitet. Die DEFA muss fast eine gesamte Jahresproduktion an Filmen zurückziehen. Frank Beyers "Spur der Steine" nach dem Roman von Erik Neutsch mit Manfred Krug in der Hauptrolle kann am 15. Juni 1966 zwar uraufgeführt werden, kurz nach der Ost-Berliner Premiere wird der Film jedoch auf Druck der SED aus dem Programm genommen. Der Film schildert Konflikte auf einer Großbaustelle und setzt sich dabei in freimütiger Weise mit den moralischen und wirtschaftlichen Problemen in Produktion und Gesellschaft der DDR auseinander.

(ahw) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 05.05.2003
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Hinz-Wessels, Annette: Film und Literatur, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-modernisierung/reformversuche-im-osten/film-und-literatur.html
Zuletzt besucht am: 10.10.2024

lo