Geteiltes Deutschland: Gründerjahre > Weg nach Osten

"Antifaschismus" als Legitimation

Der Herrschaftsanspruch der SED ist nicht durch eine demokratische Mehrheit der Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) legitimiert. Ihre führende Stellung rechtfertigt die SED anhand ihres sozialistischen Weltbilds: Demzufolge ist der Faschismus die extremste Form des Kapitalismus und die Bundesrepublik Deutschland ist in Kontinuität des Nationalsozialismus eine "monopolkapitalistische" Gesellschaftsordnung. Die DDR unter der Führung der SED hingegen habe aus der Vergangenheit gelernt und sich systematisch gegen den Faschismus gestellt.

Gründungsmythos

Der antifaschistische Anspruch befreit die Menschen in der DDR zugleich von der moralischen Mitverantwortung für Krieg und Völkermord des "Dritten Reiches". Die Ostdeutschen, so die SED, seien selbst Opfer des Faschismus gewesen. Durch die Entnazifizierung und die frühen Enteignungen, die die sowjetische Militäradministration umgesetzt hat, sei die DDR frei von kapitalistischen Nationalsozialisten. Zur symbolischen Ikone des "Antifaschismus" macht die SED den Kommunisten Ernst Thälmann, der von den Nationalsozialisten ermordet wurde.

Motivation

Der von der SED behauptete Antifaschismus ist für viele ein Motiv, sich für den Aufbau des neuen sozialistischen Staates einzusetzen. Schriftstellerinnen und Schriftsteller, wie Anna Seghers, Bertolt Brecht, Stefan Heym oder Arnold Zweig, verlassen ihr Exil im Ausland und wählen die DDR als neue Heimat statt der Bundesrepublik.

Propaganda

Die SED-Propaganda stellt die Bundesrepublik dar, als wirke in ihr der Nationalsozialismus ungebrochen weiter. Sie greift hohe Beamte, Politiker und Militärs wegen ihrer Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus an, darunter den Staatssekretär im Kanzleramt Hans Globke oder Vertriebenenminister Theodor Oberländer. Im Fall von Oberländer und von Bundespräsident Heinrich Lübke greift die SED auch auf gefälschte Dokumente zurück. Dass auch in der DDR frühere NSDAP-Mitglieder wichtige Ämter einnehmen und zu hohem Ansehen gelangen, verschweigt sie. Eine Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit findet aufgrund des antifaschistischen Gründungsmythos in der DDR nicht statt.

(mw) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 27.06.2022
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Würz, Markus: "Antifaschismus" als Legitimation, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-gruenderjahre/weg-nach-osten/antifaschismus-als-legitimation.html
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