In der Sozialpolitik steht die junge Bundesrepublik vor gewaltigen Aufgaben. Denn eine Hypothek des Zweiten Weltkrieges sind Millionen von Ausgebombten, Flüchtlingen, Vertriebenen und Kriegsopfern, wie Witwen, Waisen und Versehrte. Viele Rentner leben als Folge des Krieges in Altersarmut. Um die Not der Menschen zu lindern und sozialen Ausgleich zu gewährleisten, schaffen Gesetze die entsprechenden Grundlagen. Mit dem Aufschwung der Wirtschaft ist der Bundesrepublik schließlich ein Ausbau des Sozialstaates möglich, etwa durch die Rentenreform 1957 und die Einführung der Sozialhilfe.

Lastenausgleich

Ehemalige Kriegsgefangene erhalten durch das Heimkehrergesetz von 1950 besondere Rechte und Vergünstigungen. Das Bundesversorgungsgesetz von 1950 sichert den Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen Heilbehandlung und Renten zu. Jährlich werden hierfür 3,2 Milliarden DM ausgegeben. Von größter Bedeutung ist das "Gesetz über den allgemeinen Lastenausgleich" von 1952, das die Schäden und Verluste der Vertriebenen und Flüchtlinge auszugleichen versucht.

Unterstützung von Familien

In vielfältiger Weise bemüht sich der Staat, Not und soziale Ungleichheit zu mildern. Dabei steht vor allem die Familie im Mittelpunkt. Das Mutterschutzgesetz von 1952 und das Kindergeldgesetz von 1954 sind Ausdruck dieser Politik. Begabte Studenten werden seit 1955 im Rahmen des "Honnefer Modells" mit Stipendien und Darlehen unterstützt, das vielen überhaupt erst die Aufnahme des Studiums ermöglicht.

Rentenreform

Umstritten zwischen den politischen Parteien ist die Reform der Altersversorgung. Mit einem Gutachten über die "dynamische Rente" gibt der Kölner Wirtschaftswissenschaftler Wilfried Schreiber den entscheidenden Anstoß: die Rentenversicherung als "Solidarvertrag zwischen zwei Generationen". Die Erwerbstätigen zahlen die Renten der Ruheständler, die an die Bruttolöhne gekoppelt sind. Arbeitnehmer und Arbeitgeber übernehmen die Rentenbeiträge je zur Hälfte. Staatliche Zuschüsse ergänzen die Kassen. Die Höhe der Rente ist damit abhängig von der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft. Das Konzept kann sich durchsetzen und wird am 23. Februar 1957 vom Bundestag beschlossen. Die Reform beschert den Rentnern einen Einkommenszuwachs von durchschnittlich 60 Prozent und sichert den erworbenen Lebensstandard. Erst jetzt nehmen auch sie am wirtschaftlichen Aufschwung teil.

Sozialhilfe

Unter dem Eindruck von "Wirtschaftswunder" und Vollbeschäftigung beschließt der Bundestag 1961 das Bundessozialhilfegesetz. Es reformiert die Armenfürsorge aus dem Jahr 1924. Die Sozialhilfe leistet als unterstes Sicherungsnetz Hilfe in Notsituationen oder gewährt vorübergehend Hilfe zum Lebensunterhalt. Im Jahr ihrer Einführung hilft sie rund 1 Prozent der Bevölkerung.

(ahw, mw) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 04.11.2014
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Hinz-Wessels, Annette/Würz, Markus: Sozialstaat und Rentenreform, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-gruenderjahre/wirtschaft-und-gesellschaft-im-westen/sozialstaat-und-rentenreform.html
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