Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) ist kein Rechtsstaat mit einer unabhängigen Gerichtsbarkeit. Zwar existierten Gerichte, wie der Oberste Gerichtshof (OG), und Staatsanwaltschaften. Allerdings ist die Justiz den Weisungen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) unterworfen. Richter und Staatsanwälte werden von der SED bestimmt und gehören ihr nahezu vollständig an. Sie sichern durch die Verfolgung politischer Gegner und Oppositioneller die SED-Herrschaft.

Persönlichkeiten

Prägenden Einfluss auf das Justizsystem der jungen DDR haben vor allem die Vizepräsidentin des OG und spätere Justizministerin Hilde Benjamin sowie Generalstaatsanwalt Ernst Melsheimer. Sie prägen das Verständnis der Richter als "zuverlässige politische Funktionäre" der SED.

Unterdrückung

Um die SED-Herrschaft zu sichern, verfolgt die Justiz Hand in Hand mit dem Ministerium für Staatssicherheit echte oder vermeintliche Gegner. Alleine 1950 ergehen 78.000 Urteile wegen politischer Delikte. Selbst Politiker der Blockparteien werden unrechtmäßig zu Haftstrafen verurteilt, etwa Handelsminister Karl Hamann (LDPD) oder Außenminister Georg Dertinger (CDU). Aber auch SED-Parteigenossen, darunter etwa Justizminister Max Fechner, werden mit Hilfe der Justiz ausgeschaltet.

"Klassenkampf"

Die Gerichtsbarkeit ist zugleich das Instrument der SED, um den "Aufbau des Sozialismus" voranzutreiben und "Klassenfeinde" zu verfolgen. Betroffen sind beispielsweise mittelständische Unternehmer, selbständige Bauern, die christlichen Kirchen oder die Zeugen Jehovas. Mit Schauprozessen führt die SED den selbst erklärten "Klassenkampf von oben" gegen "Agenten des Imperialismus" und "kapitalistische Elemente". Sie will so ihre Politik und deren theoretisches Fundament rechtfertigen.

(mw) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 29.02.2016
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Würz, Markus: Politische Justiz, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-gruenderjahre/weg-nach-osten/politische-justiz.html
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